Endlich scheint sich Japan aus dem Würgegriff der Deflation befreit zu haben. Das treibt die Aktienkurse auf neue Höhen – doch noch bleibt viel Raum für weitere Gewinne, wie das ETF Magazin erwartet.
9. Juli 2024. MÜNCHEN (ETF Magazin). Die Winkekatze kommt aus Japan, ist aber auch in vielen anderen Ländern Asiens gern gesehen. Denn die maneki-neko ist eine Glückskatze. Sie bringt Glück und Wohlstand, vor allem dann, wenn sie mit der rechten Pfote winkt. In den vergangenen sechs Monaten hat die maneki-neko offensichtlich besonders ausdauernd gewinkt: Um mehr als 30 Prozent schoss Japans Leitindex Nikkei 225 seit November 2023 nach oben, übersprang Mitte März endlich die magische 40.000-Punkte-Hürde, um Ende März ein neues Allzeithoch von knapp 41.000 Punkten zu markieren. Die diesjährige Rekordjagd war der vorläufige Höhepunkt einer langen und oft unterbrochenen Aufholjagd. Nach dem vorherigen Rekordhoch von 38.915 Punkten im Dezember 1989 ging es schließlich erst einmal 20 Jahre überwiegend bergab, bevor Japans Aktien dann ab 2009 wieder an Höhe gewinnen konnten. Immerhin: Seitdem hat sich der Index fast versechsfacht.
Jetzt legt die Börse eine Verschnaufpause ein – bevor es dann weiter aufwärts gehen kann. Für den Gipfelsturm gibt es nämlich einen triftigen Grund. „Nach jahrzehntelang fallenden Verbraucherpreisen erlebt Japan jetzt die Rückkehr der Inflation. Dadurch ist das Wachstumsrad wieder in Schwung gekommen, und genau darauf hat die Börse lange gewartet“, erklärt Japan-Expertin Lilian Haag, die für die Fondsgesellschaft DWS als Portfolio-Managerin seit 1999 in asiatische und japanische Aktien investiert.
Um es ganz deutlich zu sagen: Japan verabschiedet sich jetzt aus der Null-Prozent-Welt, in der es weder Inflation noch Zinsen, noch Gehaltserhöhungen gab, und betritt die neue Zwei-Prozent-Welt, in der Preise, Zinsen und Löhne endlich wieder steigen. Es ist eine Zeitenwende: Die jüngsten Lohnerhöhungen sind die höchsten seit 33 Jahren und es werden wohl nicht die letzten sein, denn praktisch in jeder Branche herrscht Arbeitskräftemangel. Der japanischen Zentralbank (BOJ) ist das mehr als Recht. Schon im März beendete die BOJ ihre seit acht Jahren verfolgte Politik der Negativ-Zinsen und der radikalen geldpolitischen Stimulierung. BOJ-Chef Kazuo Ueda deutete auch schon Zinserhöhungen an.Offensichtlich geht die BOJ davon aus, dass die Inflation auch künftig in der Nähe ihres Inflationsziels von zwei Prozent bleiben wird.
Aktien ins Depot
Japans Anleger werden deshalb umdenken müssen. Ihre bewährte Anlagestrategie wird künftig wohl nicht mehr funktionieren. In einer Welt mit fallenden Preisen ist Geld unter der Matratze eine feine Sache. In der neuen Zeit, mit steigenden Preisen und Zinsen, sollten Japans Sparer besser auf höher rentierende Anlageklassen wie Aktien setzen. Davon sind sie noch weit entfernt. Mehr als die Hälfte des Finanzvermögens der Haushalte entfällt auf Bargeld- und Sichteinlagen bei Banken. Im Welt-Durchschnitt sind es weniger als 30 Prozent. Japans institutionelle Investoren sind ähnlich defensiv positioniert. Investmentfonds haben in ihren Portfolios nur etwa 27 Prozent Aktien, berichtet Nicholas Smith, Japan-Stratege beim Investmenthaus CLSA. Pensionsfonds kommen nur auf neun Prozent. In den Vereinigten Staaten seien die Aktienquoten rund doppelt so hoch.
Die anstehenden Umschichtungen werden wesentlich dazu beitragen, das Aktienkurse und die Bewertungen steigen. Die Analysten von Morgan Stanley prognostizieren, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Topix-Index von aktuell 17 bis Ende 2030 auf 20 bis 22 anzieht.Doch selbst mit einem KGV von 22 wäre der japanische Aktienmarkt immer noch günstig, sowohl im Vergleich zu seiner eigenen Historie, als auch zu anderen Börsen. Beim letzten Rekordhoch Ende 1989 waren japanische Aktien dreimal so hoch bewertet wie heute.
Die Kursgewinne der vergangenen Monate haben die Bewertung der Aktien nicht wesentlich nach oben getrieben, denn schließlich steigen auch die Gewinne der Unternehmen. „Japans Aktien sind immer noch extrem billig“, befindet deshalb CLSA-Stratege Smith. Auch in Bezug auf Dividenden und Kurspflege trumpften die japanischen Aktiengesellschaften auf. Schließlich würden sie im Geld schwimmen. Die Dividendenrendite am japanischen Aktienmarkt sei heute schon höher als in den USA und jetzt würden Japans Konzerne auch noch massiv Aktien zurückkaufen. „Die Buybacks gehen durch die Decke“, berichtet der Marktkenner. DWS-Managerin Haag sieht das ähnlich. „Japan ist jetzt wieder eine echte Alternative zum US-amerikanischen und europäischen Aktienmarkt“, schwärmt die Portfoliomanagerin. Heute seien auch vor allem die großen Gesellschaften sehr darauf erpicht, profitabler zu arbeiten. In ihrem Asien-Aktienfonds stellen japanische Titel inzwischen fast die Hälfte des Portfolios.
Japan ist übrigens auch der perfekte Markt für alle, die den richtigen Einstiegszeitpunkt bei den US-Technologieaktien verpasst haben. Japans KI-Gewinner sind nur etwa halb so hoch bewertet wie die Technologieaktien der Nasdaq. Beispiele für japanische KI-Gewinner finden sich leicht. Etwa die Investmentholding SoftBank, die 90 Prozent der Anteile des gut verdienenden Chipdesigners Arm hält; oder Tokyo Electron und Advantest, zwei führende Ausrüster der Chip-Hersteller. Auch einige Giganten der japanischen Unternehmenswelt sind im Geschäft. Der Industrie-Konzern Hitachi betreibt eine der größten industriellen KI-Plattformen der Welt. Der Telekommunikationsriese NTT entwickelt ein auf den japanischen Markt zugeschnittenes Sprachmodell.
Breites ETF-Angebot
Zahlreiche ETFs ermöglichen die Teilnahme an der Rekordjagd. An der Deutschen Börse notieren mehr als 70 ETFs für japanische Aktien.
Verfügbar sind ETFs für alle großen Japan-Indizes – für den Nikkei-225 ebenso wie für den TOPIX oder den MSCI-Japan. Auch ETFs mit japanischen Small- und Midcaps oder mit Nachhaltigkeitsfokus notieren an der Börse. Fündig wird auch, wer sich an Unternehmen mit höchsten Ansprüchen an die Corporate Governance beteiligen will. Letztere finden sich etwa im relativ jungen Nikkei-400-Index, der mit dem Invesco ETF JPX-Nikkei 400 zugänglich wird. Der Nikkei 400 ist grob gesagt sowohl auf Largecaps als auch auf Smallcaps mit hohen Eigenkapitalrenditen und robusten Regeln in der Unternehmensführung ausgerichtet. Für den Index werden die Titel nicht ausschließlich anhand ihrer Marktkapitalisierung ausgewählt, sondern das Indexkomitee berücksichtigt auch weitere Punkte wie Eigenkapitalrendite oder Corporate Governance.
Einer für alle
Frei von solchen Einschränkungen bildet der MSCI Japan Index 85 Prozent des gesamten japanischen Aktienmarktes gemessen an der Marktkapitalisierung ab. Aktuell enthält der Index 217 Aktien mit großer und mittlerer Marktkapitalisierung. Der liquideste ETF für diesen Index ist iShares Core MSCI Japan mit einer Kostenquote (TER) von zwölf Basispunkten. Ebenso preiswert, und meist ähnlich liquide, sind die MSCI-Japan-ETFs von Amundi, Deka, Invesco, SPDR, UBS und Xtrackers.
Der TOPIX Index ist ein Aktienindex der japanischen Börse, der die über 1900 führenden, auf den japanischen Märkten gehandelten Unternehmen umfasst. An der Frankfurter Börse ist als einziger ETF auf diesen Index der relativ teure Amundi Japan (Topix) ETF gelistet. Allerdings hält der französischer ETF-Anbieter eine preiswerte Alternative parat: den Amundi Prime Japan ETF. Die TER des Amundi Prime Japan ETFs beträgt lediglich 5 Basispunkte, womit dieser zugleich auch der billigste ETF für japanische Aktien ist.
Möglich ist dies, weil der Japan-Prime-ETF auf einem Index des Frankfurter Anbieters Solactive basiert, der offensichtlich nur geringe Lizenzgebühren verlangt. Der Amundi Prime Japan ETF bildet den Solactive GBS Japan Large & Mid Cap Index nach, dessen Allokation weitgehend der des Topix-Index entspricht. Der Amundi Prime ETF enthält mit gut 300 Titeln jedoch deutlich weniger Aktien als der Topix. Trotzdem entspricht die Wertentwicklung des Amundi-ETFs ziemlich genau der des Topix.
Und natürlich notieren an der deutschen Börse auch ETFs auf den bekannten Nikkei-225-Index. Dieser traditionelle Leitindex enthält Nippons Blue Chips, die größten und umsatzstärksten japanischen Unternehmen. Die Gewichtung der Titel erfolgt im Nikkei 225 allerdings im Gegensatz zu den meisten anderen Aktienindizes dieser Welt nicht nach der Marktkapitalisierung der Aktien, sondern nach Durchschnittspreisen. Wer in den Nikkei 225 investieren will, kommt sehr kostengünstig mit dem Xtrackers Nikkei 225 ETF zum Zug. Mit einer Gesamtkostenquote von 0,09 Prozent ist er der preiswerteste ETF für den japanischen Leitindex. Für Anleger, die eine anhaltende Yen-Abwertung fürchten, gibt es den Xtrackers-ETF auch mit integrierter Währungssicherung, dann jedoch mit etwas höheren Kosten von 0,19 Prozent.
Auch bei einigen weiteren Japan-Aktien-ETFs minimieren die Fondsgesellschaften das Währungsrisiko für europäische Anleger. In der Vergangenheit war solch eine Absicherung häufig von Vorteil, denn oftmals entwickelten sich die Aktien der Export-Nation Japan besonders gut, wenn der Yen abwertete. Ob die Wechselkursabsicherung heute noch notwendig ist, lässt sich jedoch schwer sagen. In den vergangenen drei Jahren hat die japanische Währung massiv abgewertet. Heute ist der Yen so billig wie zuletzt vor 34 Jahren. Beginnt die japanische Zentralbank im Sommer mit Zinserhöhungen, könnte jedoch die Talfahrt des Yens enden. Doch sicher ist diese Entwicklung nicht. Japans Unternehmen dürfte ein weiterhin schwacher Yen ohnehin durchaus willkommen sein.
Von Uli Kühn und Ronny Kohl, Juni 2024, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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