Große Risikoaversion treibt nach Ansicht von Joachim Goldberg fast ein Sechstel der professionellen Investoren aus Aktien auf die Short-Seiten. Obwohl sich die Skepsis in den vergangenen Monaten nicht ausgezahlt hat. Der hohe Pessimismus könnte dem Markt nützen.
Obwohl der DAX neue Rekordmarken setzt, werden hiesige und internationale Investoren pessimistischer. Rund ein Sechstel der befragten professionellen Anleger sind von long auf short gewechselt und drücken den Sentimentindex mit -38 Punkten weit nach unten. Privatanleger haben sich ähnlich bewegt, jedoch in deutlich geringerem Ausmaß.
Für Joachim Goldberg steht dahinter eine starke Risikoaversion. Institutionelle Anleger scheinen auf das Schlimmste gut vorbereitet zu sein. Das bedeute aber auch, dass ab 15.400/15.450 mögliche Rückkäufe der Bären den DAX absichern. Sollten die Anleger auf der Short-Seite feststellen, dass sie zu vorsichtig waren, weil die "befürchteten bzw. erhofften" Korrekturen ausbleiben, kämen sie in die Bedrängnis einer Bärenfalle. Die Stimmung sei schlechter als die Lage des DAX, befindet der Verhaltensökonom.
18. August 2021. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Nun hat der DAX geschafft, was ihm während der vergangenen vier Wochen im Gegensatz zu einigen US-Indizes versagt geblieben war: ein neues Allzeithoch. Und derer gab es dann gleich drei, wobei auch nicht unterschlagen werden soll, dass auch noch die 16.000er Marke zeitweise überschritten wurde. Indes: Mit Beginn der neuen Handelswoche trübte sich nicht nur bei den hiesigen Investoren die Stimmung ein. Bereits zuvor zeigten sich auch internationale Fondsmanager für das globale Wachstum wesentlich pessimistischer. Außerdem wurden die globalen Inflationserwartungen deutlich heruntergeschraubt. Dies vermittelt zumindest die von der Bank of America vom 6. bis 12. August durchgeführte Umfrage unter internationalen Fondsmanagern.
Vermutlich wären auch die Extrem-Risiken anders eingeordnet worden, wenn schon zum Zeitpunkt der Umfrage der Zusammenbruch der bisherigen afghanischen Regierung bekannt gewesen wäre. So aber wurden als größte Risiken für die Finanzmärkte unverändert eine überraschend hohe Inflation und eine heftige Reaktion der Bondmärkte infolge einer Reduzierung der Anleihekäufe der US-Notenbank (Taper Tantrum) genannt. Und Platz drei der Extrem-Risiken erklomm die Gefahr, die sich durch eine Ausbreitung der Delta-Variante des Covid-19-Virus ergeben könnte.
Gewinnmitnahmen aus gutem Grund
Eine ausgesprochen starke Risikoaversion zeitigt auch die heutige Stimmungserhebung bei mittelfristig orientierten institutionellen Anlegern. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist regelrecht abgestürzt und um 31 Punkte auf einen neuen Stand von -38 zurückgefallen. Dabei handelt es sich um den niedrigsten Stand des Index seit dem 10. Juni 2020, nur unweit entfernt vom niedrigsten Niveau seit Beginn unserer Aufzeichnungen (-40). Dass es zu einem so starken Stimmungsumschwung kam, hängt damit zusammen, dass sich bisherige Optimisten – sie machten 15 Prozent aller Befragten aus – praktisch direkt ins Bärenlager begeben haben. Kurzum: Diese Positionen wurden um 180 Grad von „long“ auf „short“ gedreht.
Das dürfte vielen Investoren auch nicht schwer gefallen sein, da bei unserer vergangenen Befragung mancherorts zuvor „vorsichtshalber gekauft“ wurde und so zwischenzeitlich ein DAX-Gewinn von rund 1,6 Prozent in der Spitze entstanden war. Gepaart mit den oben genannten Risiken könnte man auch von Gewinnmitnahmen aus gutem Grund sprechen. Mehr noch: Noch nie war das Bullenlager seit Beginn unserer Aufzeichnungen im August 2002 so leergefegt.
Unterdessen sind die Privatanleger zwar auch pessimistischer als zuvor eingestellt, doch fällt der Rückgang im Börse Frankfurt Sentiment-Index dieses Panels mit einem Rückgang von 7 Punkten auf einen neuen Stand von -9 wesentlich gemäßigter aus als bei ihren institutionellen Pendants.
Im Zeichen der Risikoaversion
Mit der heutigen Befragung wird deutlich, dass die institutionellen Investoren auf das Schlimmste gut vorbereitet scheinen. Auch wenn der Pessimismus in der relativen Betrachtung auf Sicht von drei und sechs Monaten nicht ganz so extrem ausfällt, handelt es sich dennoch bei dieser Sichtweise um den niedrigsten Wert seit April dieses Jahres. Gut vorbereitet heißt aber auch, dass der DAX im Falle stärkerer Rücksetzer ab 15.400/15.450 Zählern durch mögliche Rückkäufe der Bären ordentlich abgesichert scheint.
Viel interessanter ist jedoch, was geschieht, wenn sich die befürchteten bzw. erhofften Korrekturen am Aktienmarkt nicht einstellen sollten, zumal sich der DAX zum Erhebungszeitpunkt nicht einmal 1 Prozent von seinem bisherigen Allzeithoch entfernt befand. Sollte sich nämlich in den kommenden Tagen (wie schon so oft während der Corona-Pandemie) auch unter den internationalen Investoren die Meinung durchsetzen, dass man womöglich zu viel Vorsicht walten ließ, müssten viele Absicherungen und Short-Positionen womöglich im Rahmen einer veritable Squeeze wieder zurückgedeckt werden. Kurzum: Die Stimmung ist schlechter als die Lage des DAX.
18. August 2021, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
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Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 15% | 53% | 32% |
ggü. letzter Erhebung | -15% | +16% | -1% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 15.900 (+130 Pkt.)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Institutionelle Anleger: -38 Punkte (Stand vergangene Erhebung: -7 Punkte)
Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 33% | 42% | 25% |
ggü. letzter Erhebung | -2% | +5% | -3% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 15.900 (+130 Pkt.)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Private Anleger: -9 Punkte (Stand vergangene Erhebung: -2 Punkte)
Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positive in negative Werte markiert die neutrale Linie.
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