Die Börsen mussten seit unserer letzten Erhebung stark Federn lassen. Der neuerliche Optimismus unseres Panels ist für Goldberg jedoch eine Belastung.
Die Zinsangst war offensichtlich der Hauptgrund für den starken Kursverfall in den vergangenen Tagen. Doch statt Rückzug haben die Teilnehmer*innen unserer Panels den Spurt nach vorne gewagt. Die Sentiment-Indikatoren befinden sich wieder im positiven Terrain. Joachim Goldberg sieht in seiner Analyse bei beiden Anlegergruppen zwei verschiedene "Wahrnehmungswelten".
15. Juni 2022. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Was die Wahrnehmung der größten Risiken der Teilnehmer an den Finanzmärkten angeht, könnte man durchaus von einer Art Kettenreaktion sprechen, die sich seit unserer vergangenen Stimmungserhebung ereignet hat. Ob es nun die am vergangenen Freitag in den USA publizierten, überraschend hohen Inflationszahlen, die damit verbundenen Zinsbefürchtungen oder die zunehmenden Rezessionsängste sind, die den Aktienmärkten dies- und jenseits des Atlantiks zugesetzt haben – es dürfte nicht ein einzelner Auslöser, sondern die sich gegenseitig verstärkende Kombination dieser Risiken gewesen sein, die auch dem hiesigen DAX einen massiven Kursverlust beschert haben.
Dass es sich bei besagten drei Risiken um die mit Abstand am stärksten wahrgenommenen handelt, bestätigt auch die gestern veröffentlichte Umfrage der Bank of America unter internationalen Fondsmanagern für den Monat Juni. Und am stärksten treibt dabei die Vermögensverwalter die Angst um, dass die Notenbanken, insbesondere diejenige der USA, beim Kampf gegen die Inflation zu aggressiv mit Leitzinserhöhungen zu Werke gehen könnten. Aber die heutige Stimmungserhebung stand nicht nur unter dem Eindruck der heute Abend (MESZ) endenden Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank. Vielmehr tragen auch hierzulande die gestiegenen Renditen an den Anleihemärkten der Eurozone dazu bei, dass sich die Sorgenfalten bei den Investoren vertiefen.
Keine Panik oder Verzweiflung
Angesichts eines 7,7-prozentigen Wertverlustes des DAX im Wochenvergleich hätte dieser durchaus die Attribute „Panik“ oder „Notbremsung“ verdient gehabt. Aber für die von uns befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren scheinen diese Begriffe wie Fremdwörter zu klingen. Zumindest, wenn man das Ergebnis der heutigen Stimmungsumfrage betrachtet. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist gegenüber der Vorwoche sogar um 8 Punkte auf einen neuen Stand von +3 gestiegen. Als ob nichts gewesen wäre. Die Veränderung geht jedenfalls zumindest unter dem Strich auf das Konto von ehemaligen Pessimisten, die ihre bearishen Engagements reduziert und sich teilweise sogar direkt auf die Bullen-Seite geschlagen haben.
Ähnlich deutlich fällt die Reaktion bei den Privatanlegern aus, deren Börse Frankfurt Sentiment-Index um 7 Punkte auf einen neuen Stand von +1 gestiegen ist. Diese Veränderung verdankt sich unter dem Strich vormals neutral eingestellten Akteuren, deren Gruppe sich um mehr als ein Drittel reduzierte – mehr als 80 Prozent dieser wechselwilligen Anleger entschieden sich für die Bullen Seite.
Zwei Wahrnehmungswelten
Mit der heutigen Befragung wird zweierlei deutlich. Zum einen scheinen sowohl private als auch institutionelle Investoren alles in allem der Meinung zu sein, dass die DAX-Entwicklung nach unten während der vergangenen Tage womöglich überzogen war. Zumindest haben die Optimisten unter den institutionellen Investoren nachgerade stoisch auf den DAX-Absturz reagiert, fast so, als ob er nie stattgefunden hätte. Allerdings kommt auf der anderen Seite der deutliche Kursverlust des Börsenbarometers sicherlich nicht von ungefähr, dürfte aber per Saldo nicht auf das Konto mittelfristig orientierter heimischer Akteure gehen. Vieles spricht indes dafür, dass es zu Kapitalabflüssen aus längerfristigen Quellen gekommen sein mag.
Insbesondere bei Betrachtung der Stimmungslage der institutionellen Investoren fällt auf, dass anscheinend zwei Wahrnehmungswelten nebeneinander bestehen. Die eine ist diejenige der Pessimisten, von denen sich trotz des wahrscheinlich großen aufgelaufenen Kursgewinns nicht allzu viele von ihren Engagements getrennt haben. Offenbar befürchtet man in dieser Gruppe noch stärkere Kurseinbrüche. Die andere Wahrnehmungswelt ist die der Optimisten, die zumindest unter dem Strich nicht auf die teils massiven Kursverluste reagiert und die negativen Kommentierungen womöglich ausgeblendet haben. Erfahrungsgemäß stellen diese Engagements eine Belastung für den Aktienmarkt dar, vor allem, wenn es mit dem DAX weiter abwärts gehen sollte.
15. Juni 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
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Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 39% | 36% | 25% |
ggü. letzter Erhebung | +3% | -5% | +2% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 13.400 (-1120 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Institutionelle Anleger: +3 Punkte (Stand vergangene Erhebung: -5 Punkte)
Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 41% | 40% | 19% |
ggü. letzter Erhebung | +9% | +2% | -11% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 13.400 (-1120 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Private Anleger: +1 Punkte (Stand vergangene Erhebung: -6 Punkte)
Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positive in negative Werte markiert die neutrale Linie.
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