Auch zum Ende der Sommerpause hin ist am Zertifikatemarkt relativ wenig los. Während die Händler nach möglichen Gründen für die Zurückhaltung vieler Anleger sind, greifen die aktiven Investoren verstärkt bei bestimmten Aktien-Produkten zu.
21. September 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Markus Königer wirkt ratlos. „Wir wissen nicht, woran es liegt“, erklärt der Händler der ICF Bank beim Blick auf die weiterhin relativ dünnen Umsätze im Börsenhandel. Aktuell sei sogar noch weniger los als im Sommer. Als mögliche Ursachen erwähnt er die geringe Schwankungsbreite des DAX, die allgemeine Unsicherheit der Marktteilnehmer und die niedrige implizite Volatilität an den Märkten, die zu vergleichsweise unattraktiven Konditionen bei vielen Strukturierten Produkten führt.
Auch Simon Görich berichtet von einer überschaubaren Aktivität im Handel. „Die grundsätzlichen Dauerprobleme wie Ukraine, Energie, Inflation haben nicht wirklich nachgelassen, weshalb die Anleger seit Wochen eher vorsichtig agieren“, vermutet der bei der Baader Bank für Zertifikate verantwortliche Spezialist. Neben DAX und Rohöl vereinte sich das Anlegerinteresse hier diesmal auf den Nasdaq 100 sowie die Einzelwerte Walt Disney und Rational. Hier spekulierten die Anleger mit einem Turbo-Call der UBS (DE000UH5USX7) bzw. einem dreifach gehebelten Long Faktorzertifikat der Société Générale (DE000SB0BZ45) auf steigende Kurse der beiden Aktien.
Görich
In den Handelsräumen der Société Générale hat Patrick Kesselhut die Beobachtung gemacht, dass die Bären in den vergangenen Wochen spürbar an Gewicht gewonnen haben. So werden bei der mit weitem Abstand umsatzstärksten Produktgruppe der Turbos neben Long-Produkten (DE000CL5K3G1) vermehrt auch Scheine gekauft, die von fallenden Kursen profitieren. Wie zum Beispiel ein Knock-out-Put auf den DAX mit einem Basispreis und einer Knock-out-Marke bei 16.900 Punkten (DE000SV9DUM0).
Im Bereich der Anlagezertifikate beobachtet der Derivate-Spezialist zudem eine stärkere Nachfrage nach eher konservativen bzw. bearishen DAX-Produkten. Dazu zählt ein bis Ende 2024 laufender Discounter, der bei einem Cap von 13.000 Punkten aktuell einen Risikopuffer von ca. 18 Prozent bietet (DE000SV6CLU0). Bei einem ebenfalls relativ rege gehandelten Reverse Bonus-Zertifikat auf den DAX setzen die Käufer darauf, dass der deutsche Leitindex in den kommenden rund drei Monaten niemals über 16.900 Punkte steigt. Im Erfolgsfall wird das mit einem Ertrag von aktuell über 6 Prozent belohnt (DE000SV4B673).
Auffällig ist laut Kesselhut, dass schon an vierter Stelle der meistgehandelten Basiswerte ein Einzelwert auftaucht. „Das habe ich so auch noch nicht gesehen“. Nach DAX, Dow Jones und Nasdaq und damit noch vor Gold, Öl und dem Euro/Dollar kommt hier – natürlich – Nvidia. Bei der durch die KI-Euphorie in den Anlegerfokus gerückten Chipaktie werden vor allem Knock-out-Scheine ohne Laufzeitbegrenzung gehandelt. Dabei spekulieren die Trader sowohl auf weiter steigende Kurse (DE000SW2A9D3) als auch auf eine Korrektur der jüngsten Rallye (DE000SV9RZF3).
Kesselhut
Auch bei der ICF Bank werden Nvidia-Produkte momentan relativ häufig gehandelt. „Alles schreit nach Halbleitern, da wird auf der KI-Welle einfach mal mitgeritten“, erklärt Königer. Bei den Top-Produkten steht dabei noch vor diversen Turbos ein bis September 2024 laufendes gekapptes Bonuszertifikat von Leonteq mit einer Barriere bei gut 368 Dollar und einem Cap bei gut 644 Dollar (CH1290280838).
Ebenfalls im Fokus steht die Aktie des Flugzeugbauers Airbus, der zurzeit mit vollen Auftragsbüchern glänzen kann. Hier kaufen die Anleger einen bis Juni 2024 laufenden Discounter, dessen Cap bei 120 Euro und damit im Bereich eines zuletzt übersprungenen charttechnischen Widerstands der Aktie liegt (DE000DW35N94).
Auffällig ist laut dem Händler der ICF Bank, dass die Investoren zurzeit verstärkt nach eher defensiven Discountern mit relativ kurzer Laufzeit und einer guten Rendite greifen. Dazu zählt er zum Beispiel zwei Zertifikate auf Infineon mit unter dem aktuellen Aktienkurs liegenden Caps von 26 Euro (DE000DV8HMD6) bzw. 30 Euro (DE000DW6YQU9). „Kauf von Ersatzfestzinsprodukten“ überschreibt Königer diese Investments, zu denen auch das Discount-Zertifikat auf AXA (DE000DW3KF01) gehört. Wobei man die Renditen und vor allem die Risiken natürlich nicht mit sicheren Tages- oder Festgeldern gleichsetzen kann, weshalb sich hier wahrscheinlich vor allem erfahrene und risikobewusste Investoren engagieren dürften.
von Thomas Koch, 21. September 2023 © Deutsche Börse AG
Thomas Koch ist CEFA-Investmentanalyst, Investmentspezialist für strukturierte Produkte und geprüfter Zertifikateberater. Seit Anfang 2006 beschäftigt er sich als freier Journalist mit dem Geschehen an den Kapitalmärkten.
Feedback und Fragen an redaktion@deutsche-boerse.com
Koch