Die Kennzahlen Tracking Error und Tracking Difference helfen, die Qualität eines ETF zu beurteilen. Wer sie benutzt, sollte jedoch wissen, welche Faktoren in die Berechnung eingehen.
7. Dezember 2021. MÜNCHEN (ETF Magazin). Abgesehen von einigen Active-ETFs, sind nahezu alle ETFs passive Indexfonds, die nicht darauf zielen, ihren Vergleichsindex zu schlagen. Im Gegenteil: Eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale eines ETF ist, wie genau er den Index abbildet. Die Abbildungsgenauigkeit lässt sich messen – mit den Kennzahlen Tracking Error und Tracking Difference. Beide Kennzahlen sind nützliche Instrumente beim Vergleich von ETFs, die den gleichen Index abbilden. Sie ergänzen andere Vergleichspunkte wie Größe, Liquidität, Anbieter oder die Art der Indexabbildung. Bei Tracking Error und Tracking Difference geht es um ähnliche Dinge, jedoch nicht um das Gleiche. Vereinfacht gesagt, geht es um Fehler und um langfristige Abweichung. Der Tracking Error misst die Streuung des ETF-Kurses um den Mittelwert des Index, also die Standardabweichung der Fondsrendite um die Indexperformance. Je geringer diese ist, desto stabiler folgt der ETF seinem Index. Die Tracking Difference misst die Abweichung der ETF-Rendite von der Indexperformance zum Ende eines Beobachtungszeitraums, unabhängig von den Bewegungen innerhalb dieses Zeitraums. Während die Tracking Difference also im Ziel misst, wie weit der ETF von seiner Spur abweicht, sagt der Tracking Error etwas aus über die Fehltritte auf dem Weg dorthin.
Herausfordernde Berechnung.
Es gibt verschiedene Methoden, den Tracking Error zu messen. Die ESMA, der EU-Regulator für Fonds, hat in ihren Richtlinien für ETFs eine einheitliche Methode zur Berechnung des Tracking Error vorgeschlagen, doch in der Praxis wird in der Regel eine der folgenden drei Methoden verwendet: Die einfachste Methode ist die klassische Berechnung der Standardabweichung, also die durchschnittliche Streuung um den Index als Mittelwert.
Um zu verhindern, dass sich gegenlaufende Tracking Errors in verschiedenen Börsenphasen aufheben, berechnet und addiert ein verbesserter Ansatz den Tracking Error für mehrere unabhängige Perioden. Eine dritte Möglichkeit ist das Einbeziehen des Standardfehlers. Bei einem Beta von ungleich eins können die Ergebnisse der beiden letzteren Berechnungsmethoden etwas voneinander abweichen.
Einige Parameter beeinflussen die Messung des Tracking Error: In welcher Frequenz wird gemessen, täglich, wöchentlich oder monatlich? Und falls nicht täglich gemessen wird: zu welchem Starttag, an einem Montag, Freitag, oder wird der Wochendurchschnitt gewählt, wie lange ist die Zeitperiode, etwa ein, drei oder fünf Jahre? Auch Datenfehler können das Ergebnis signifikant stören. Sie entstehen beispielsweise durch fehlende Daten, durch Ausreißer, Rundungsfehler oder Feiertage. Eine Bereinigung der Datenreihe verhilft zu einer aussagekräftigen Berechnung. Atypisch hohe Tracking Errors weisen auf Datenfehler hin.
Zur Berechnung der Tracking-Maße wird die Rendite des ETF herangezogen. Auf welcher Basis diese Rendite kalkuliert wird, muss bestimmt werden. Dies kann durch Einbeziehen von Marktpreisen bzw. Börsenpreisen des ETF oder auf Basis der Entwicklung des Nettoinventarwerts (NAV) erfolgen. Für die Verwendung des NAV spricht das Vermeiden von marktbeeinflussenden Faktoren. Es wird die Qualität des Fondsmanagements in Bezug auf Replikation des Index gemessen. Werden zur Berechnung der Tracking-Maße Schlusskurse benutzt, werden auch Angebot und Nachfrage, Qualität von Creation und Redemption sowie die Preisstellungen der Market Maker und Authorized Participants berücksichtigt.
Der Stand des Index kann aus vielen Gründen vom Schlusspreis des ETF abweichen. Eine ausführliche Darstellung findet sich im ETF Magazin 2/2021, S. 38. Hier sei nur die Zeitzonenproblematik erwähnt. Zeichnet sich beispielsweise nach Börsenschluss eines Index ein Crash ab, können die Market Maker des ETF, die in einer anderen Zeitzone arbeiten, die zu erwartenden Kursverluste bereits berücksichtigen, wenn sie Kauf- und Verkaufskurse stellen. Bei der Berechnung des Tracking Error kommt es dann zu hohen Abweichungen. Für Anleger sind jedoch die Marktpreise entscheidend. Dazu kommt: ETFs werden im laufenden Handel gekauft und verkauft. Die Tracking-Maße sind jedoch Schlusskursbetrachtungen. Deshalb muss mitunter auch das Verhalten eines ETF während der Handelszeit berücksichtigt werden.
Ursachen für Abweichungen
Die Tracking Difference wird von mehreren Faktoren beeinflusst, die sowohl negativ als auch positiv auf die Kursentwicklung des ETF wirken.Fkat
Faktor | Wirkung auf den Wert eines physisch replizierenden ETF | Wirkung auf den Wert eines synthetischen ETF | |
Verwaltungsgebühren (TER) | negativ | negativ | |
Transaktionskosten | negativ | nicht kalkulierbar, im Spread eingepreist | |
Cash Drag | negativ oder positiv | nicht kalkulierbar, im Spread eingepreist | |
Dividendenbesteuerung | negativ oder positiv | nicht kalkulierbar, im Spread eingepreist | |
Dividenden-Reinvestition oder Ausschüttung | negativ oder positiv | negativ oder positiv | |
Wertpapierleihe | positiv | nicht kalkulierbar, im Spread eingepreist | |
Sampling | negativ oder positiv | nicht vorhanden | |
Swap-Spread |
| negativ oder positiv |
Quelle: gammaVega
Tracking Difference als Erfolgsmaß
Die Tracking Difference ist deutlich einfacher zu berechnen als der Tracking Error. Und da ETF-Anbieter die ihnen entstehenden Kosten weitergeben, ist sie meist negativ. Eine niedrige negative Tracking Difference weist also auf eine gute relative Rendite hin. In einigen – eher seltenen – Fällen kann die Tracking Difference auch positiv sein, beispielsweise dann, wenn ein ETF durch Wertpapierleihe oder verbesserte Dividendenstrategien seine Performance verbessert. Solche Strategien können allerdings zusätzliche Risiken mit sich bringen, die bei der Wahl des Investments berücksichtigt werden sollten.
Wem die Rendite bei einem Investment am wichtigsten ist, für den stellt die Tracking Difference die wichtigere Kennzahl dar. So gilt sie bei vielen privaten Anlegern derzeit als ausschlaggebendes Kriterium bei der Auswahl eines ETF, nicht zuletzt, weil sie einfach zu ermitteln ist.
Beide Kennzahlen werden mit historischen Daten berechnet und bieten keine Garantie für die Zukunft. Wenn zum Beispiel ein swapbasierter ETF, der einen komplexeren Index abbildet, auf physische Abbildung umgestellt wird, erhöht sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der Tracking Error. In der Regel sind beide Kennzahlen umso valider als Prognoseinstrument für die zukünftige Entwicklung, je länger der Beobachtungszeitraum gewählt wird.
Einflussfaktor Transaktionskosten
Kosten für Kauf und Verkauf der Wertpapiere entstehen bei Creation und Redemption der ETF-Anteile und fallen sowohl beim swapbasierten als auch beim physisch replizierenden ETF an.
Allerdings haben physisch abbildende ETFs einen höheren Aufwand durch Rebalancing. Je nach Replikationsmethode, Gewichtung und Rhythmus wirken sich Portfolio-Anpassungen unterschiedlich hoch auf die beiden Kennzahlen aus. Repliziert zum Beispiel ein ETF, der den US-amerikanischen Russell-3000 trackt, den Index voll, dürfte der Tracking Error sehr gering sein, aber die Transaktionskosten hoch, da jede Indexanpassung nachgezogen werden muss. Wird hingegen der Index optimiert verfolgt, indem der ETF nur die größeren Positionen des Index hält, sind die Transaktionskosten niedriger. Dafür können extreme Kursbewegungen von Wertpapieren, die nicht im ETF enthalten sind, zu Abweichungen zwischen ETF und Index führen.
Indirekt können diese Effekte auch bei synthetisch replizierenden Swap-ETFs greifen, da der Swapgeschäft-Kontrahent ebenfalls den Index in irgendeiner Weise replizieren muss. Starke Kursbewegungen werden in die Geld-Brief-Spanne des Swap bei Creation und Redemption eingerechnet.
Außerdem kann die Berechnungsbasis eines Total Return Swap von der Kalkulation des Referenzindex abweichen. Beispiele dafür sind unterschiedliche Dividendenbezüge, etwa Bar- versus Bruttodividenden oder andere Zinsberechnungsmethoden. Allgemein fallen Tracking Error und Difference in diesem Fall bei komplexeren Indizes besser aus.
Verzerrungen durch Dividenden.
Dividendenzahlungen führen zu Cash-Positionen im Fonds, die bis zur Ausschüttung oder Wiederanlage gehalten werden. Der ETF hinkt sowohl bei positiver als auch bei negativer Entwicklung hinterher. Vor allem nicht thesaurierende ETFs mit festen Auszahlungsterminen können durch Verzögerungen von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten betroffen sein. Auch bei manchen Kapitalmaßnahmen und Sonderausschüttungen greift dieser Effekt, „Cash Drag“ genannt. Synthetische ETFs sind davon nicht betroffen.
Bei Dividenden zählt außerdem, welche Dividende in die Indexberechnung einfließt: die Dividende für Steuerinländer, die Bardividende oder die Nettodividende für Steuerausländer (ohne Quellensteuer). Bei einem mit Quellensteuer berechneten Index können ausländische ETF-Anbieter in der Regel eine Wertentwicklung erzielen, die höher als die des Index ist. Das bedeutet eine positive TrackingError-Komponente.
Auch Kapitalmaßnahmen führen häufig zu Anpassungen in einem Index und lösen Umschichtungen im ETF aus. Indizes werden jedoch sofort umgestellt, während das Portfolio der betroffenen ETFs erst nach Handelsbeginn angepasst werden kann. Die Aufnahme von Tesla in den S&P-500-Index ist ein Beispiel für solch ein Ereignis.
Bei swapbasierten ETFs können Änderungen in der Swap-Konstruktion die Swap Spreads beeinflussen und so ebenfalls zu einem Tracking Error führen. Swap-Spreads sind Ausdruck der Kosten des Swap-Anbieters. Dazu gehören die Neubewertung der Sicherheitsleistungen (Collateral), Änderungen in der gegenseitigen Bonität der Swap-Partner usw. Auch operationelle Risiken können zu einem Tracking Error beisteuern: falsche Anzahl der Replitionskomponenten, Fehler in der Konstruktion des ETF, Managementfehler usw.
Die laufenden Kosten des ETF, kurz TER für Total Expense Ratio, sind der maßgebliche Faktor für die Tracking Difference. Bleiben diese konstant, gehen sie als statische Abweichung vom Index nicht in das Streuungsmaß Tracking Error ein. Allerdings fallen die absoluten Kosten eines ETF ungleichmäßig an. Sie haben somit auch Effekte auf den Tracking Error. Dies bedeutet auch, dass ein kleiner ETF mit weniger Vermögen tendenziell eine höhere Tracking Difference aufweist, da seine Kosten, relativ betrachtet, höher ausfallen.
Grenzen der Vergleichbarkeit
Tracking Error und Tracking Difference lassen sich nur bei ETFs auf denselben Index vergleichen. Beide Größen hängen sehr stark von der Komplexität des ETF und der Handelbarkeit der jeweiligen Indexkomponenten ab. So kann ein Dax-ETF physisch sehr einfach nachgebildet werden, bei einem ETF für den MSCI-World-Index, mit rund 1600 Aktien aus verschiedenen Ländern und Zeitzonen, ist dies deutlich schwieriger. Auch bei Anleihen-ETFs mit liquiden Staatsanleihen sind Tracking Error und Tracking Difference niedriger als bei Mittelstandsanleihen- oder Emerging-Markets-ETFs. Grundsätzlich gilt: Je exotischer der Basiswert des Index und je kleiner der Fonds, desto größer sind die laufenden Kosten des ETF und damit die Abweichungen.
Als Fazit kann also gezogen werden: Tracking Error und Tracking Difference sind wichtige Kennzahlen zur Analyse und zum Vergleich von ETFs. Sie sind jedoch historische Zahlen und sollten nicht die einzigen Kriterien bei der Auswahl des Fonds sein. Da das Management und die Effizienz eines ETF-Anbieters sich ändern können, sollten die Kennzahlen von Zeit zu Zeit erhoben werden. So lassen sich Optimierungen bei ETFs erkennen und nutzen.
Dezember 2021, © ETF Magazin
Stefan Toetzke ist als Geschäftsführer von gammaVega gefragter Ausbilder und Dozent für Finanzmarktprofis.
Edda Vogt betreut Website, Newsletter und Social-Media-Aktivitäten der Börse Frankfurt.
Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen ETF Magazin. Das ETF Magazin erscheint quartalsweise in Zusammenarbeit mit Focus Money und richtet sich an Berater, Vermögensverwalter und Portfoliomanager, ist aber sicher auch für informierte Anleger interessant.
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