Die Leitzinsen werden weltweit weiter nach unten geschraubt. Diese Woche waren die Notenbanken in Kanada, der Schweiz und der Eurozone aktiv, kommende Woche könnte die Fed in den USA nachziehen. An den Anleihemärkten zeigt sich aber ein ganz anderer Trend.
13. Dezember 2024. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Der europäische Rentenmarkt hat mit einem Ausverkauf der Anleihen auf die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag reagiert. Die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe ist durch den Kursrutsch am Donnerstag im Wochenvergleich von 2,11 Prozent auf 2,23 Prozent gestiegen. Bei Papieren mit zwei Jahren Restlaufzeit war die Rendite im Vorfeld der EZB-Sitzung zunächst deutlich von 2,02 auf 1,92 Prozent gesunken, bevor der komplette Rückgang nach dem Zinsentscheid in sehr kurzer Zeit wieder aufgeholt wurde.
Leitzinsen dürften 2025 weiter deutlich sinken
Verantwortlich für den Anstieg der Renditen dürften u.a. die Aussagen von Notenbankchefin Christine Lagarde auf der anschließenden Pressekonferenz gewesen sein, wo sie sich nicht auf einen weiteren geldpolitischen Kurs festlegen wollte. „Auch auf Nachfrage deutete sie keine weitere Zinssenkung im Januar an“, konstatiert Ulrike Kastens von der DWS. Die Volkwirtin geht aktuell aber trotzdem von einem entsprechenden Zinsschritt zu Jahresbeginn aus. „Für das gesamte Jahr 2025 dürfte die EZB unserer Meinung nach einen Einlagensatz von 2,0 Prozent anstreben“. Das wäre vom aktuellen Niveau aus noch mal ein Rückgang um 100 Basispunkte.
Für Tim Oechsner von der Steubing AG ist das sogar das Minimum an zu erwartenden Zinssenkungen im neuen Jahr. Seine Begründung: „Die Konjunkturpessimisten im EZB-Rat haben inzwischen ein großes Gewicht“. Allerdings bleibe die Unsicherheit hoch, weil beispielsweise noch unklar sei, wie sich die Zollpolitik der künftigen US-Regierung auf die Eurozone auswirken wird. Als Grund für die heftige und für viele auf den ersten Blick womöglich unlogisch erscheinende Reaktion auf die vierte Zinssenkung verweist der erfahrene Rentenhändler auch auf die Erwartungshaltung im Vorfeld. Zwar sei die Konsensprognose mit der Senkung um 25 Basispunkte voll getroffen worden. „Anleger hatten teilweise aber auch auf einen großen Zinsschritt spekuliert“, wie Oechsner berichtet. Zudem sei das Nachfragevolumen saisonal bedingt insgesamt relativ gering. „Viele Handelsbücher sind bereits geschlossen“.
Otto-Anleihe nach About You-Übernahme gesucht
Im Segment der Unternehmensanleihen sorgt die angekündigte Übernahme des Online-Modehändlers About You durch den Branchenriesen Zalando für Umsätze in einer Anleihe der Muttergesellschaft Otto GmbH & Co (XS1853998182). „Mit etwas Fantasie könnte man darauf spekulieren, dass diese Anleihe demnächst vorzeitig zurückgezahlt wird, weil jetzt Geld in die Kassen von Otto reinkommen wird“, erklärt Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank. Der Bond wird aktuell knapp unter Nennwert gehandelt.
Weiterhin gute Nachfrage sieht der Händler nach zwei Bonds der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Die Anleihe in brasilianischem Real mit einer Laufzeit bis 2027 rentiert aktuell mit rund 12 Prozent (XS2934329967), der bis 2036 laufende Bond in türkischer Lira kommt sogar auf 35 Prozent (XS2795696108). Verkauft wird hingegen ein Papier des Königreich Spanien, dessen Kurs seit Mitte des Jahres von 87 auf 92 Prozent gestiegen ist und somit bis zur Fälligkeit 2020 nur noch 2,4 Prozent Rendite abwirft (ES0000012F43).
Neuer Bond von ArcelorMittal weckt Interesse
Neu am Markt und direkt gesucht ist eine Anleihe des Stahlkonzerns ArcelorMittal, die Anlegerinnen und Anlegern nach sieben Jahren Laufzeit eine Rendite von aktuell 3,6 Prozent ermöglicht (XS2954183039). Auf ähnlichem Niveau bewegt sich die 2030 fällige Hochtief-Anleihe (DE000A383EL9), die laut Oechsner momentan ebenfalls sehr beliebt ist. Daniel wiederum berichtet noch von Käufen des bis 2031 laufenden Bonds des Triebwerke-Herstellers MTU Aero Engines (XS2887896574). Der rentiert zurzeit mit 3,2 Prozent.
Von Thomas Koch, 13. Dezember 2024, © Deutsche Börse
Thomas Koch ist CEFA-Investmentanalyst, Investmentspezialist für strukturierte Produkte und geprüfter Zertifikateberater. Seit Anfang 2006 beschäftigt er sich als freier Journalist mit dem Geschehen an den Kapitalmärkten.
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