Der Haushaltsstreit in Frankreich lässt die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen steigen – auf den höchsten Stand seit der Eurokrise. Griechenland gilt jetzt als solider als Frankreich. Der jüngste Inflationsanstieg in der Eurozone lässt die Märkte hingegen kalt.
29. November 2024. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Unsicherheiten wegen Frankreich, schwache Einkaufsmanagerindizes, die Erwartung stärkerer Zinssenkungen – die Renditen für Bundesanleihen sind diese Woche peu à peu zurückgegangen. „Trotz Regierungskrise in Deutschland sind Bundesanleihen immer noch erste Wahl“, bemerkt Arthur Brunner von der ICF Bank. Großes Thema bleibe Frankreich und die steigenden Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen. „Da braut sich etwas zusammen“, meint Brunner: „Eine neue Eurokrise könnte drohen.“
Die Risikoaufschläge für Frankreichs Staatsanleihen sind diese Woche mit 90 Basispunkten gegenüber Bundesanleihen auf den höchsten Stand seit der Eurokrise 2012 gestiegen. „Am Donnerstag lag die Rendite französischer Anleihen erstmals vorübergehend auf dem gleichen Niveau wie die von griechischen Staatsanleihen“, berichtet Tim Oechsner, der für die Steubing AG Anleihen handelt. „Die Unsicherheit ist zurück, diesmal ist es Frankreich.“
Eurokrise 2.0?
„Die politische Situation in Frankreich und die daraus resultierende Unsicherheit über den Haushalt für nächstes Jahr fordern ihren Tribut“, erklärt Analyst Hauke Siemßen von der Commerzbank mit Blick auf die massive Kritik an den geplanten Einsparungen. Sogar ein Misstrauensvotum gegen Premierminister Barnier sei möglich. Das würde wohl ein Ende der derzeitigen Regierung bedeuten. Die Citigroup warnte am Dienstag, dass der Frankreich-Spread gegenüber Bundesanleihen schneller als angenommen 100 Basispunkte erreichen könnte. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren am Freitagmittag mit 2,12 Prozent nach 2,24 Prozent vor einer Woche.
Weitere EZB-Zinssenkung fest eingeplant
Die aktuellen Inflationsdaten gefährden weitere Zinssenkungen in der Eurozone nicht. Die heute morgen veröffentlichten Zahlen für die Eurozone zeigen einen Anstieg im November auf 2,3 Prozent. Der sei allerdings auf Basiseffekte zurückzuführen, wie es heißt. Die Inflationsrate für Deutschland war schon gestern veröffentlicht worden, sie lag im November bei 2,2 Prozent und damit ebenfalls etwas höher als im Oktober. „Die EZB-Ratsmitglieder dürften sich einig sein, die Zinsen im Dezember um 25 Basispunkte zu senken“, erklärt Analyst Marco Wagner von der Commerzbank. Selbst Mitglieder des „Falkenlagers“ wie Bundesbankpräsident Joachim Nagel erwarteten, dass die Inflation bald das Ziel erreichen werde. Ralf Umlauf von der Helaba äußert sich ähnlich: „Die Entwicklungen im November werden in der Gesamtschau der Zahlen an Gewicht verlieren und der EZB nicht im Wege stehen, die Zinsen im kommenden Monat ein weiteres Mal zu senken“, meint er.
Hohe Umsätze mit Rumänien-Anleihen
Rege in beide Richtungen gehandelt werden rumänische Staatsanleihen, wie Rentenhändler Rainer Petz von Oddo BHF berichtet. „Hier machen sich die Turbulenzen um die Wahl bemerkbar.“ Käufe und Verkäufe meldet Petz etwa für die Laufzeit bis 2033 mit aktueller Rendite von 5,55 Prozent (XS2689948078) sowie bis 2050 mit aktuell 5,89 Prozent (XS2109813142). In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hatte der Rechtsradikale Georgescu überraschend gewonnen. Das rumänische Verfassungsgericht hat nun eine Neuauszählung der Stimmen angeordnet, Hintergrund sind Zweifel am ordnungsgemäßen Wahlablauf.
Umsatzstark sind Oechsner zufolge die im Oktober emittierten Staatsanleihen Polens mit Laufzeit bis 2039 und aktueller Rendite von 3,72 Prozent (XS2922764191) sowie Bonds der Europäischen Union mit Fälligkeit 2035 und aktuell 2,66 Prozent (EU000A285VM2).
Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank sieht weiter gute Nachfrage nach Bonds der European Bank for Reconstruction and Development in türkischen Lira mit Laufzeit bis 2036 (XS2795696108). Die Rendite liegt aktuell bei 33 Prozent. Verkauft würden hingegen auf mexikanische Peso lautende Papiere der European Investment Bank EIB, die 2027 fällig sind und aktuell mit 8,74 Prozent rentieren (XS1547492410).
EnBW, Mutares und Grenke gesucht, Fortaco schwächer
Für den Bereich Unternehmensanleihen meldet Steubing-Händler Oechsner gute Umsätze für die vergangene Woche emittierte Anleihe des Energieversorgers EnBW mit 3,75 Prozent bis 2035 (XS2942479044). Bei der ICF kommen Anleihen von Mutares (NO0012530965) und Grenke (XS2155486942) wieder gut an.
Unter Abgabedruck stehen Brunner zufolge einige Mittelstandsanleihen. „Die schwache Wirtschaft hierzulande schlägt sich mittlerweile in den Zahlen kleinerer und mittelgroßer Unternehmen nieder“, erklärt er. Ein Beispiel: die Anleihe der Fortaco Group (NO0012547274), ein Ausrüster für die Schiffindustrie, die diese Woche verlor. „Das Umsatzziel wurde verfehlt“, erklärt Brunner. Käufe sieht er hingegen für die Fußballanleihe von Werder Bremen (DE000A3H3KP5). „Werder hat gegen Eintracht Frankfurt vergangenen Samstag zwar verloren, aber ein gutes Gastspiel geliefert.“
Auch hier sind Daniel zufolge gelegentlich auf türkische Lira lautende Bonds gefragt, etwa von Goldman Sachs mit Fälligkeit August 2025 und aktueller Rendite von 39 Prozent (XS2470215661). „Generell herrscht eher Zurückhaltung. Wenn gekauft wird, dann gerne auch etwas mit höheren Renditen“, bemerkt der Händler.
Wegen des Thankgiving-Feiertags in den USA am gestrigen Donnerstag lief das Neuemissionsgeschäft diese Woche eher ruhig. Frisch am Markt ist eine US-Dollar-Wandelanleihe von MicroStrategy mit Kupon von 0 Prozent und Fälligkeit 2029 (US594972AR21), wie Oechsner berichtet.
Von Anna-Maria Borse, 29. November 2024, © Deutsche Börse
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
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