Im Sommer hatten Tech-Aktien empfindliche Rückschläge verzeichnet, diese aber wieder aufholen können. Viele große US-Analysehäuser sind weiter begeistert. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen.
31. Oktober 2024. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Ist die KI-Euphorie vorbei? An der Börse ist davon bislang nichts zu sehen. Vielmehr ist die Skepsis vom Sommer wieder verflogen. Am Dienstagabend lag der Nasdaq 100 mit 20.551 Punkten nicht weit vom im Juli erreichten Allzeithoch von knapp 20.748 Zählern entfernt.
Das Interesse zeigt sich auch in den Umsätzen mit Auslandsaktien auf den Marktplätzen der Deutschen Börse. Absoluter Favorit bleibt Chipkonzern Nvidia (US67066G1040) – mit Umsätzen, die im September mehr als dreimal so hoch lagen wie die des Zweitplatzierten ASML (NL0010273215). Unter den Top-Ten finden sich auch ansonsten fast nur Tech-Konzerne, und zwar Chinas Autobauer BYD (CNE100000296), Tesla (US88160R1014), Apple (US0378331005), Amazon (US0231351067) und Alphabet (US02079K3059). Einzige Branchenfremde: Novo Nordisk (DK0062498333) auf Platz 7 und Berkshire Hathaway (US0846707026) auf Platz 9.
Die Aktie von Dänemarks Pharmakonzern Novo Nordisk war im Zuge des Abnehmspritzenbooms bis Sommer stark gestiegen, hat seit Juni aber wieder deutlich verloren. Die hierzulande gehandelte B-Aktie von Berkshire Hathaway, der Investment-Holding von Warren Buffett, kostet mit aktuell 418 Euro kaum weniger als im Rekordhoch von 436,75 Euro Anfang September.
Fünf der Magnificant Seven berichten
Diese Woche legen fünf der größten Tech-Unternehmen ihre Quartalsberichte vor. Die bereits veröffentlichten Zahlen von Alphabet fielen überzeugend aus. Meta meldete ein deutliches Umsatzplus dank Werbegeschäft. Microsoft wuchs aufgrund hoher Nachfrage nach KI-Produkten stärker als erwartet. Die Zahlen von Chiphersteller und Nvidia-Konkurrent AMD (US0079031078) enttäuschten hingegen. Am heutigen Donnerstagabend stehen noch die Zahlen von Apple und Amazon an.
Wall Street-Analysten hatten einen Gewinnanstieg der „Magnificent Seven“ im dritten Quartal um mehr als 18 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum prognostiziert. Das wäre zwar deutlich weniger als im zweiten Quartal mit 37 Prozent. Für die übrigen S&P 500-Unternehmen wird allerdings nur eine Gewinnstagnation erwartet.
„Mondpreise für AI-Infrastruktur“
Stefan Waldhauser, der seit mehr als 35 Jahren in Technologie- und Wachstumsunternehmen investiert (www.high-tech-investing.de), mahnt allerdings: „Das derzeit wichtigste Thema ist, die Kleinanleger vor der Übergewichtung der ‚AI-Gewinner‘ – sprich Nvidia – zu warnen“, erklärt er. Drei Gründe sprächen für eine Blase: Zum einen nennt er die „Mondpreise“ für AI-Infrastruktur, etwa die neuesten Nvidia GPUs. Waldhauser kritisiert auch die von OpenAI angeführte Rentabilitätskennzahl „AI-adjusted earnings“, bei der große Kostenblöcke herausgerechnet würden. „Die echten OpenAI-Zahlen sehen selbst nach den optimistischen Prognosen des eigenen Business-Plans einen Verlust von 14 Milliarden US-Dollar 2026 und bis 2028 Verluste von 44 Milliarden US-Dollar.“ Zudem sei unter Risikokapitalgebern ein regelrechter „AI-Goldrausch“ ausgebrochen. „Neue Unternehmen ohne jeden Umsatz werden vom Start weg mit hunderten von Millionen US-Dollar finanziert, nur weil die Gründer namhafte AI-Experten aus Big Tech Companies sind.“ Mehr dazu: www.high-tech-investing.de/post/ai-blase-2025
Fast nur Kaufempfehlungen
Insgesamt herrscht allerdings noch viel Zuversicht in den Analyseabteilungen: So raten beispielsweise bei Amazon die UBS, Jefferies & Company, Bernstein Research, Goldman Sachs und JP Morgan zum Einstieg, bei Meta ebenfalls die UBS, Jefferies, Bernstein und JP Morgan. Auch für Microsoft, Alphabet und Apple überwiegen die Kaufempfehlungen. Die UBS verweist im Fall von Apple allerdings auf die etwas schwächere Nachfrage nach dem neuen iPhone und setzt die Aktie nur auf „Neutral“ bei einem Kursziel von 236 US-Dollar (aktuell 230 US-Dollar).
Waldhauser zeigt sich auch bei anderen Tech-Werten skeptisch: „Mit Ausnahme von Alphabet und Meta sind alle Big Tech-Aktien mit einem KGV von deutlich über 30 ‚priced for perfection‘ und damit anfällig für einen größeren Rückschlag.“ Etwa halte Apple Intelligence bei weitem nicht, was das Marketing verspreche. Waldhauser geht davon aus, dass sich in der laufenden Quartalssaison – wie schon im Vorquartal – ausgewählte Nebenwerte besser entwickeln werden als Big Tech. „Anleger sind daher gut beraten, auch abseits von Big Tech nach aussichtsreichen Aktien Ausschau zu halten.“
Von Anna-Maria Borse, 31. Oktober 2023, © Deutsche Börse
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
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