Deutsche Aktien fallen weiter, die Bären nehmen aber keine Gewinne mit. Goldberg sieht neue Bezugspunkte.
Der DAX ist erneut gefallen, bei den Kommentatoren herrscht scheinbar Konsens, dass das Zwischenhoch vorbei sei. Hiesige, mittelfristig orientierte Anleger haben kaum reagiert. Von den Profis sind 4 Prozent ohne Position long gegangen, von den Privatanlegern haben 3 Prozent Bären Gewinne mitgenommen und sich an die Seitenlinie verzogen. Die Stimmung ist mit -18 und -21 Punkten weiter schlecht.
Joachim Goldberg ist erstaunt, dass so wenige Bären Kasse gemacht haben. Ihre Einstiegspreise sollten sie bereits gesehen haben. Der Verhaltensökonom vermutet verschobene Referenzpunkte. Man orientiere sich eher an den bisherigen Jahrestiefs unter dem heutigen Niveau. Dort könnte zwar stützende Nachfrage kommen, sollte es weiter nach unten gehen. Einen Wendepunkt sieht Goldberg allerdings nicht.
31. August 2022. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Auch seit unserer vergangenen Stimmungserhebung hat sich der für Aktienmärkte negative Nachrichtenstrom nicht verringert. Sei es die von Fed-Chef Jerome Powell beim Treffen der Notenbanker in Jackson Hole Ende vergangener Woche angekündigte Fortsetzung steigender Zinsen in den USA oder die rekordhohen Gas- und Strompreise hierzulande und der damit verbundene allgemeine Preisauftrieb – der DAX verlor von seinem höchsten Punkt während des Berichtszeitraums zeitweise rund 4,6 Prozent seines Wertes. So gesehen nimmt sich der Wochenverlust des DAX von 1,4 Prozent (in der Punktbetrachtung) angesichts der Inflationsängste und der Forderung einiger Stimmen aus dem EZB-Rat nach schnellen und robusten Leitzinserhöhungen fast schon harmlos aus. Aber in der Nachbetrachtung ist die von vielen ungeliebte Sommerrallye von Mitte Juli bis Mitte August nach Ansicht vieler Kommentatoren längst zu Ende gegangen.
Einen fallenden DAX hat auch die Mehrheit der von uns befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont antizipiert. Immerhin ist unser Börse Frankfurt Sentiment-Index mittlerweile um 3 Punkte auf einen neuen Stand von -18 gestiegen. Allerdings nicht, weil sich die Anzahl der Pessimisten verringert hätte – per Saldo ist sie sogar minimal gestiegen. Die leichte Stimmungsverbesserung verdankt sich vielmehr einigen ehemals neutral gestimmten Akteuren, die sich angesichts des fallenden Marktes auf die Bullenseite geschlagen haben. Allerdings sprechen wir hier nur von einem Zuwachs bei den Optimisten von 4 Prozentpunkten.
Immer noch keine Gewinnmitnahmen
Auch bei den Privatanlegern hat sich die Stimmung geringfügig verbessert, denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist in diesem Panel ebenfalls um 3 Punkte auf einen neuen Stand von -20 gestiegen. Dieses Plus verdankt sich fast ausschließlich der Gewinnmitnahmen ehemaliger Pessimisten, die ihre bearishen Engagements zurückgedeckt haben.
Mit der heutigen Befragung bleiben die Sentiment-Werte der privaten und institutionellen Investoren immer noch recht nah beieinander. Bei beiden Gruppierungen fällt auf, dass sich die Bären mit Gewinnmitnahmen unter dem Strich weiterhin zurückhalten, obwohl bei den meisten das ihrer Stimmung zugrundeliegende Engagement mittlerweile profitabel gewesen sein dürfte.
Für diese Zurückhaltung dürfte es zweierlei Gründe geben. Möglicherweise sind die entsprechenden bearishen Positionen hinsichtlich ihres Volumens vergleichsweise gering und fallen performancetechnisch nicht ins Gewicht. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass das Gros der Pessimisten noch mehr Ungemach für die Finanzmärkte erwartet. Und was die Pessimisten vom Aktienmarkt im negativen Sinne erwarten könnten bzw. sich vielleicht insgeheim erhoffen, zeigt ein Blick auf eine DAX-Chart: Bereits dreimal wurden in diesem Jahr Tiefpunkte auf ähnlich niedrigen Niveau markiert. Der niedrigste von ihnen liegt bei rund 12.391 DAX-Zählern, der höchste bei 12.439.
Verschobene Referenzpunkte
Mit anderen Worten: Angesichts dieser geradezu verführerisch günstigen „Kaufgelegenheit“ scheinen diese Referenzpunkte aufgrund ihrer besseren Sichtbarkeit stärker als Orientierungsmarken wahrgenommen zu werden als andere Bezugspunkte (wie etwa die Einstandspreise der Pessimisten). Ein Phänomen, das die verhaltensorientierte Kapitalmarktforschung (Behavioral Finance) übrigens unter den Begriff Verfügbarkeitsheuristik subsumiert.
Damit könnte mögliche Nachfrage pessimistischer Investoren in der Nähe der bisherigen Jahrestiefs dem Abwärtstrend des DAX zumindest kurzfristig Einhalt gebieten – sehr fraglich ist indes, ob daraus ein Wendepunkt hin zu einer längerfristig positiven Entwicklung entstehen könnte.
31. August 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
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Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 31% | 49% | 20% |
ggü. letzter Erhebung | +4% | +1% | -5% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 12.920 (-190 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Institutionelle Anleger: -18 Punkte (Stand vergangene Erhebung: -21 Punkte)
Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 29% | 49% | 19% |
ggü. letzter Erhebung | +0% | -3% | +3% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 12.920 (-190 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Private Anleger: -20 Punkte (Stand vergangene Erhebung: -23 Punkte)
Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positive in negative Werte markiert die neutrale Linie.
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