Mit guten Investmentoptionen in inflationären Marktphasen befasst sich die DWS im ETF Magazin. Inflation sei nicht zwangsläufig schlecht für Geldanleger. Welche Investments schneiden in welchem Inflationsszenario am besten ab?
7. Juni 2022. MÜNCHEN (ETF Magazin). Angetrieben durch die Verwerfungen der Covid-Pandemie und die extrem gestiegenen Energiekosten hat die Inflation eine Höhe erreicht, die es in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Im April stieg die deutsche Inflationsrate nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts auf 7,4 Prozent, in den Vereinigten Staaten berechneten die Statistiker 8,3 Prozent. Ähnlich hohe Werte gelten für den Euro-Raum und viele andere Staaten. Die weitere Entwicklung der Inflation ist mit hoher Unsicherheit behaftet.
Allerdings reichen Prognosen allein ohnehin nicht aus, um eine Vermögensallokation zu steuern. Ein konventioneller Ansatz, um die Widerstandsfähigkeit von Anlageklassen gegenüber makroökonomischen Zyklen und Inflation zu testen, findet sich in dem von MSCI im April 2014 veröffentlichten Papier „Index Performance in Changing Economic Environments“. Auf der Grundlage dieses Ansatzes haben wir mehr als 20 Anlageklassen auf ihre Wertentwicklung vor einem inflationären Hintergrund untersucht.
Typische Inflationsgewinner
Dabei haben wir zwischen zwei Inflationsregimen unterschieden: überdurchschnittlich hohe realisierte Inflation in einer sich verbessernden makroökonomischen Lage („wachstumsorientiert“) und überdurchschnittlich hohe realisierte Inflation in einer sich verschlechternden makroökonomischen Situation („gedämpftes Wachstum“). Die Ergebnisse unserer Betrachtung bestätigen weitgehend die konventionelle Sichtweise auf die Inflationsentwicklung, zeigen aber gleichzeitig die entscheidende Bedeutung des makroökonomischen Hintergrunds für die Bewertung der Entwicklung.
In dieser Untersuchung schneiden zyklische Aktien wie Value-Werte und Papiere aus den Schwellenländern bei sich verbessernder Stimmung am besten ab. Anleihen entwickeln sich bei sich eintrübender Stimmung am besten. Das verdeutlicht, wie relativ die Bedeutung der Inflation in den vergangenen 20 Jahren war. Infrastruktur- und Immobilienaktien bestätigten ihre Rolle im Vergleich zu den weltweiten Aktien in einem inflationären Umfeld, allerdings mehr in Verbindung mit einer sich verschlechternden Stimmung. Faktoren wie Value, Quality und Momentum können von einem inflationären Umfeld, das mit Wachstum einhergeht, profitieren, während sie bei fehlendem Wachstum Verluste verzeichnen. Überraschenderweise konnten inflationsindexierte Anleihen keinen besseren Inflationsschutz bieten als Nominalanleihen.
Die Rolle der Zentralbanken
Die oben beschriebenen Ergebnisse beziehen sich auf einen 20-Jahre-Zeitraum, der Perioden mit disinflationärer Fed-Politik und sinkenden Renditen sowie mit beispiellosen Nullzinsen umfasst. Die inflationären 1970er-Jahre mit akkommodierender Fed-Politik wurden dagegen nicht berücksichtigt. Daher ist diese Analyse am besten als eine Bewertung der Wertentwicklung von Anlageklassen in Zeiten steigender relativer Inflation und nicht in Zeiten deutlich erhöhter Inflation zu verstehen. Historische Makroanalysen, vor allem solche, die sich auf die drei vergangenen Jahrzehnte konzentrieren, laufen somit Gefahr, nur eine Seite der Geschichte darzustellen. Ergänzend zu unserem vereinfachten Ansatz, haben wir deshalb die Analyse erweitert und berücksichtigen in einem zweiten Schritt auch die Politik der Zentralbanken.
Nüchtern betrachtet, ist die aktuelle Inflation auch deshalb so hoch, weil eine Reihe von sonst eigenständigen Faktoren zusammen auftreten. So haben wir in den vergangenen Monaten „konstruktive“ Inflationstreiber wie einen eher angespannten Arbeitsmarkt, aber auch „destruktive“ wie Lieferkettenprobleme, Angebotsverknappung und steigende Energiepreise gesehen. In Kombination mit nicht enden wollenden Inflationsüberraschungen könnte sich daraus auch eine dritte „unkontrollierte“ Art der Inflation entwickeln, in der sich die Inflationserwartungen verändern und die Preisstabilität gefährden.
Investment-Fokus | verfügbare Lösungen | bessere Entwicklung | Erläuterung | Erläuterung | |
in konstruktiver Inflation | in destruktiver Inflation | in unkontrollierter Inflation | |||
Fokus auf direkten Inflationsschutz | inflationsindexierte Anleihen weltweit | x | x | Langfristiger Inflationsschutz bleibt erschwinglich; Vorsicht bei Anstieg der Nominalzinsen | |
Fokus auf Carry & kurze Laufzeiten | ESG USD/EUR Short Duration | x | Carry wirkt gegen negative Realzinsen und kurze Laufzeiten fördern Widerstandsfähigkeit | ||
USD/EUR High Yield | x | Carry wirkt gegen negative Realzinsen und Laufzeiten unter IG | |||
Fokus auf Value/ „Short Duration“ und Europa | Aktien Europa | x | x | Hoher Anteil an Finanz- und Industriewerten, begrenztes Engagement in Megacaps | |
Nebenwerte Europa | x | x | Breit gestreut, EU-Fiskalimpulse unterstützen, Ausweitung auf einen Teil des Global-EQ-Universums | ||
Value-Aktien Europa | x | Kombination aus Europa, zyklischen Branchen und Value-Faktor | |||
Fokus auf Safe Havens | China Staatsanleihen, 1 bis 10 Jahre | x | x | Unkorreliertes Engagement in festverzinslichen Wertpapieren, China übernimmt die Rolle Japans, begrenzte Laufzeit | |
Aktien Minimum Volatility | x | x | Risikodiversifizierung und moderate Bewertungen I |
Quelle: DWS Resaerch
Aufschlussreiche Stresstests
Die Sichtweise der Zentralbanken auf diese verschiedenen Szenarien reicht von gewünscht und toleriert über kritisch beäugt bis hin zu nicht tolerierbar. Diese Interpretation des Inflationsgeschehens ist entscheidend für die geldpolitischen Weichenstellungen und Marktimplikationen. Schon im „CIO Inflation Special 2021“ der DWS kamen wir zu dem Schluss, dass die Politik der Zentralbanken darüber entscheidet, inwieweit sich der Inflationsdruck in tatsächlicher Inflation niederschlägt. Da diese Inflationstreiber auch über die kommenden Monate in unterschiedlichen Formen eine Rolle spielen werden, können Stresstests der Widerstandsfähigkeit von Anlageklassen in solchen Inflationsszenarien ein hilfreiches Instrument zur Ergänzung der historischen Analyse sein.
Der große Unterschied zwischen unseren beiden Analysesträngen ist die Entscheidung, bei der erweiterten Untersuchung die Reaktionen der Zentralbanken in den Vordergrund zu stellen. Dadurch berücksichtigt die Analyse nicht nur die Konjunktur, sondern auch die geldpolitische Dimension. Im Vergleich zu den Ergebnissen unserer ersten Analyse kommt diese erweiterte Betrachtungsweise zu teilweise ganz anderen Ergebnissen.
Konstruktive Inflation
Bei Inflation in einem positiven Wachstumsumfeld und Gelassenheit der Währungshüter, also in einem Szenario, wie es die Märkte beispielsweise 2021 erlebt haben, dürften Aktien weiterhin zu den klaren Gewinnern gehören. Bei Anleihen können die Gewinne aus rückläufigen Risikoaufschlägen die höheren Zinsen nicht ausgleichen und die anhaltend negativen Realrenditen lassen Anleiheninvestitionen gegenüber Aktien weiter unattraktiv erscheinen. Inflationsgebundene Anleihen können diesem Trend teilweise trotzen, da der Inflationsausgleich einige Verluste wettmacht. Ebenso sind festverzinsliche Anlagen mit höheren Erträgen und geringerer Duration, wie etwa Dollar-Hochzinsanleihen oder auf Kreditausfallversicherungen (CDS) basierende Engagements, mittelfristig weiterhin eine prakti-kable Positionierung, um sich vor einer anhaltend hohen Inflation zu schützen.
Destruktive Inflation
In einem Szenario, in dem sich Inflation und Wachstum in entgegengesetzte Richtungen bewegen, wirkt die Inflation als zerstörerischer Faktor und veranlasst eine Verlängerung der akkommodierenden Zentralbank-Politik. Entgegen oft geäußerter Kritik bieten Safe-Haven-Anlagen in diesem Szenario tatsächlich einen Inflationsschutz. Unter der Annahme einer weiterhin steilen Zinskurve können auch Roll-down-Effekte, also der Renditevorteil durch die kürzere Restlaufzeit, einen erheblichen Beitrag zu den Gesamtrenditen leisten. Insbesondere inflationsindexierte Anleihen profitieren in zweifacher Hinsicht von sinkenden Zinsen und steigender Inflation.
Kommt es jedoch zu einer unkontrollierten Inflation, zwingen die Zentralbanken die Märkte in eine Abwärtsspirale. In diesem Szenario geben die Zentralbanken der Preisstabilität den Vorzug vor dem Wirtschaftswachstum und erhöhen die Zinssätze trotz eingetrübter Wirtschaftsaussichten weiter. Die vergangenen Wochen zeigen, dass ein solches Worst-Case-Szenario zumindest hypothetisch in
der Portfolio-Konstruktion berücksichtigt werden sollte. Die Aktienmärkte leiden darunter, dass viele Marktteilnehmer eine Baisse befürchten, während Staats- und Unternehmensanleihen durch höhere Zinsen und Risikoaufschläge getroffen sind. Das beste Investment, auf relativer Basis, sind in dieser Situation Staatsanleihen von Industrieländern mit kurzer Laufzeit sowie Staatsanleihen ausgewählter großer Schwellenländer mit zunehmender Verzinsung.
Im Nachhinein betrachtet, war die Inflation im Jahr 2021 ein Symptom des Aufschwungs. Im Jahr 2022 sollten Anleger damit rechnen, dass die Inflation die Märkte vor größere Herausforderungen stellt. Aktienmärkte mit hohen Bewertungen und höherer Anfälligkeit für steigende Zinsen könnten gefährdet sein, da höhere Zinsen auch zu einer höheren Diskontierung erwarteter Gewinne führen können. Qualitätsaktien oder Titel aus dem Bereich Basiskonsumgüter können beispielsweise eine attraktive Kombination bieten – aus geringem Fremdkapitalanteil, robuster Cash-Generierung und der notwendigen Preissetzungsmacht zur Weitergabe der Inflation.
Eindeutiges Fazit
Für Zinssätze und Kredite bleibt die Inflation ein natürliches Risiko, da der reale Wert der Einkommensströme dadurch am stärksten ausgehöhlt wird. Unsere Ergebnisse stimmen mit der Lehrbuchantwort überein: Anleger können diese Auswirkungen ausgleichen, indem sie ihr Engagement in Anleihen reduzieren, eine kürzere Duration anstreben und in inflationsindexierte Anleihen wechseln. Auch die Berücksichtigung von Roll-down-Renditen wird immer wichtiger, wenn die Realzinsen neue Tiefstände erreichen.
Zwar sind inflationsindexierte Anleihen bei allen Inflationsszenarien nominalen Staatsanleihen grundsätzlich vorzuziehen, jedoch reagieren sie am stärksten auf die Break-even-Inflation (also den Marktkonsens über die künftige Inflationsrate), die wiederum stark von der Politik der Zentralbank abhängt. Darüber hinaus reagieren sie durch ihre höhere Duration (im Vergleich zu nominalen Staatsanleihen) stärker auf die Entwicklung der Nominalsätze, eine Eigenschaft, die von den Anlegern oft unterschätzt wird.
7. Juni 2022, © ETF Magazin
Über die Autoren
Olivier Souliac, Frederike Bauer und Lukas Ahnert sind bei der Fondsgesellschaft DWS Analysten für passive Anlagestrategien.
Time | Title |
---|