FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Ausverkaufswelle am deutschen Aktienmarkt wegen der rabiaten US-Zollpolitik hat sich am Montag fortgesetzt. Zum Handelsauftakt stürzte der Leitindex Dax DE0008469008 um rund 10 Prozent ab. Bis zum Mittag konnte er sich mit einem Minus von 4,80 Prozent auf 19.651,66 Punkte etwas berappeln. Dennoch droht der dritte herbe Verlusttag in Folge. Zudem rutschte der Dax erstmals seit August unter die für den langfristigen Trend wichtige 200-Tage-Durchschnittslinie. Die deutlichen Kursgewinne seit Jahresbeginn sind Geschichte.
Für den MDax DE0008467416 der mittelgroßen Unternehmen ging es am Montag um weitere 4,44 Prozent auf 24.281,05 Punkte nach unten. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 EU0009658145, der schon am Freitag sein Jahresplus eingebüßt hatte, verlor 5,1 Prozent. Weltweit setzt sich die Talfahrt an den Börsen fort: In Asien sackten die wichtigsten Indizes deutlich ab, und auch in New York stehen die Zeichen auf weitere Verluste.
Laut Analyst Christian Henke vom Broker IG ist spätestens mit der schnellen Reaktion Chinas auf die neuen US-Zölle "der Startschuss für den nächsten Handelskrieg gefallen". Die chinesischen Zölle für US-Importe sollen am 10. April in Kraft treten. Zur Monatsmitte könnten zudem EU-Zölle für amerikanische Produkte wirksam werden. In Luxemburg beraten die Handelsminister der EU-Staaten an diesem Montag über die Frage, mit welcher Strategie US-Präsident Donald Trump zum Einlenken bewegt werden könnte.
Für Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker RoboMarkets, ist "die Stimmung an der Börse so negativ wie lange nicht. Keiner will in das fallende Messer greifen und von der nächsten Gegenzoll-Maßnahme eventuell aus Europa erwischt werden." Für Finanzmarktexperte Andreas Lipkow liegen am Markt "die Nerven aktuell blank. Die konjunkturellen Spätfolgen der neuen US-Strafzollpolitik lassen sich derzeit kaum abschätzen". Zudem seien den Notenbanken "durch die potenziellen Inflationserscheinungen die Hände gebunden".
Derweil hoffen einige Beobachter schon auf eine positive Gegenbewegung an den Märkten - auch wenn diese noch etwas Zeit brauchen könnte. "Erste Überverkauft-Indikationen gibt es zwar", schreiben Ralf Umlauf und Ulrich Wortberg, Ökonomen bei der Landesbank Helaba. "Die Korrektur bereits ad-acta zu legen, erschiene uns jedoch verfrüht." Zudem müsste eine Kurserholung "von hohen Umsätzen begleitet sein, damit es sich nicht nur um ein Strohfeuer handelt", ergänzte der technische Marktanalyst Christoph Geyer.
Die anfangs besonders gebeutelten Rüstungstitel konnten sich mit dem Markt etwas berappeln. Im Dax büßten Rheinmetall DE0007030009 zuletzt noch 4,5 Prozent ein, während im MDax Hensoldt DE000HAG0005 und Renk DE000RENK730 4,9 beziehungsweise 4,6 Prozent verloren. Dennoch behaupten sie seit Jahresbeginn noch stattliche Kursgewinne - ähnlich wie Thyssenkrupp DE0007500001, die zuletzt von Fantasie für das U-Boot-Geschäft profitiert hatten und nun um 8 Prozent absackten.
Gewinnmitnahmen bestimmten auch bei einigen anderen bisherigen Überfliegern das Bild. So büßten im Dax Heidelberg Materials DE0006047004 sowie noch deutlicher im Nebenwerte-Index SDax DE0009653386 der Spezialchemiekonzern Alzchem DE000A2YNT30 sowie der Stahlhändler Klöckner & Co DE000KC01000 klar an Börsenwert ein.
Unternehmensnachrichten gerieten angesichts des düsteren Marktumfelds fast zur Nebensache. Qiagen NL0015002CX3 bescherte ein Kursplus von 2,2 Prozent den Dax-Spitzenplatz. Händler verwiesen auf überraschend gute Quartalszahlen und eine angehobene Gewinnprognose des Diagnostikspezialisten.
Bayer DE000BAY0017 entwickelten sich indes mit minus 3,9 Prozent etwas besser als der Dax. Der Pharma- und Agrarchemiekonzern wendet sich in der Hoffnung auf eine Lösung der US-Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten erneut an das oberste Gericht des Landes. Laut einer Mitteilung vom Freitagabend wurde die Überprüfung des Falls "Durnell" beim US Supreme Court beantragt. Unklar ist, ob die Richter sich der Sache überhaupt annehmen. Die Leverkusener hoffen allerdings auf ein für sie positives Grundsatzurteil, das die Rechtsstreitigkeiten weitgehend eindämmen soll./gl/mis
--- Von Gerold Löhle, dpa-AFX ---
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