KARLSRUHE (dpa-AFX) - Im Streit um regulierte Renditen auf getätigte Investitionen haben Energienetzbetreiber wie Eon DE000ENAG999 vor dem obersten deutschen Gericht eine Schlappe eingesteckt. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs habe entschieden, die Beschwerde gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 12. Oktober 2021 zurückzuweisen, teilte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 2023 wurde aufgehoben.
In dem Prozess ging es um die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für Strom- und Gasnetzbetreiber. An die Zinssätze sind die Unternehmen gebunden, wenn sie Netzkosten in Rechnung stellen. Über Netzentgelte zahlen Netznutzer, also Haushalte, Gewerbe und Industrie, auch die Renditen der Betreiber. Während Investitionen durch höhere Verzinsungen also attraktiver werden, würden die Energiekosten auf der Verbraucherseite steigen.
JPMorgan-Analyst Javier Garrido zeigte sich überrascht. Es sei eine schlechte Nachricht, schrieb er und verwies auf eine Schätzung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Demnach entspricht ein Prozentpunkt Eigenkapitalrendite einem Volumen von einer Milliarde Euro.
Die Entscheidung müsse aber auch im richtigen Kontext gesehen werden, so Garrido weiter. Der Markt sei nicht von einem positiven Urteil ausgegangen, sondern habe es immer als mögliches Aufwärtspotenzial gesehen. Auch der Strategieplan von Eon habe keine Verbesserung der Zinssätze vorgesehen.
Die Bundesnetzagentur hatte als regulierende Behörde die Zinssätze für die Jahre 2024 bis 2028 für bestehende Anlagen auf 3,51 Prozent und für Neuanlagen auf 5,07 Prozent festgelegt. Diese Entscheidung hatte ein Düsseldorfer Gericht im vergangenen Jahr gekippt. Die Karlsruher Richter hingegen gaben mit ihrer Entscheidung nun den festgelegten Zinssätzen statt.
In einer mündlichen Verhandlung am Dienstag hatten sie der Bundesnetzagentur einen "Ermessensspielraum bei der Wahl der richtigen Bemessungsmethode" zugesprochen. Dieser dürfe durch ein Gericht nicht untergraben werden, hatte es geheißen.
Bei Eon zeigte man sich am Mittwoch enttäuscht: "Wir nehmen die kurzfristige Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit Bedauern zur Kenntnis und werden die Auswirkungen analysieren", teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. Dafür will Eon allerdings die konkreten Entscheidungsgründe des Gerichts abwarten, die noch nicht vorlägen.
Eon ist der größte Strom-Verteilnetzbetreiber Deutschlands. Mit 32 Prozent gehört fast ein Drittel des Verteilnetzes zu dem Dax DE0008469008-Konzern. Als Verteilnetz werden alle Stromnetzebenen unterhalb des Übertragungsnetzes bezeichnet.
Auf die Geschäftsplanung habe das Urteil keine Auswirkung, teilte Eon weiter mit. Es sei mit dem aktuellen Zinssatz auf Bestandsinvestitionen kalkuliert worden. Eon will sich auch zukünftig dafür einsetzen, die bestehende Methodik zur Zinsfestlegung weiterzuentwickeln. Ein erster Entwurf der Bundesnetzagentur für die nächste Regulierungsperiode wird gemeinhin im ersten Quartal 2025 erwartet.
Das Strom-Verteilnetz spielt eine wichtige Rolle beim Energie-Umbau Deutschlands hin zur Klimaneutralität: Fast alle Wind- und Solaranlagen etwa speisen ihren Strom in das Verteilnetz ein. Um das erklärte Ziel einer emissionsfreien Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2035 zu erreichen, braucht es deshalb hohe Investitionen. Analysten-Schätzungen zufolge dürfte der Netzumbau eine halbe Billion Euro kosten.
Weiterhin könnte die BGH-Entscheidung auch Auswirkungen auf mögliche Transaktionen in der Energiebranche haben. So versucht etwa RWE DE0007037129 momentan, seinen Anteil an dem Netzbetreiber Amprion zu veräußern. RWE-Finanzchef Michael Müller verwies in diesem Zusammenhang auf den großen Investitionsbedarf von Amprion, an dem die Essener 25,1 Prozent halten. Marktschätzungen zufolge dürfte die Minderheitsbeteiligung 2 Milliarden Euro wert sein. Amprion ist in Deutschland einer von vier Übertragungsnetzbetreibern für große Stromtrassen.
Und auch der niederländische Stromnetzkonzern Tennet will seinen Teil am deutschen Stromnetz verkaufen - am liebsten an den Bund. Allerdings waren im Sommer die Verhandlungen zwischen der Tennet Holding und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Auftrag des Bundes ergebnislos beendet worden. Grund für die gescheiterte Übernahme waren akute Haushaltsprobleme des Bundes. Zuletzt hatte CSU-Chef Markus Söder die Bedeutung eines Einstiegs bei Tennet nochmal unterstrichen./lew/ngu/mis
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