Zurückgehende Inflationsraten und eine Eintrübung der Konjunkturstimmung machen weitere Leitzinssenkungen in der Eurozone immer wahrscheinlicher. An der Börse Frankfurt sind deshalb Anleihen mit relativ hohen Renditen stark nachgefragt.
27. September 2024. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die zum Wochenschluss veröffentlichten Inflationsdaten aus Frankreich und Spanien haben den aktuellen Trend zu sinkenden Teuerungsraten untermauert. Weil gleichzeitig die Konjunktur in der Eurozone nicht in Schwung kommt, öffnet sich automatisch das Fenster für weitere Leitzinssenkungen. Die Analysten der LBBW gehen davon aus, dass der nächste EZB-Entscheid „wohl mehr Spannung als gedacht bietet“. An den Terminmärkten wird eine Senkung um 25 Basispunkte im Oktober mittlerweile mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent eingepreist.
52 Notenbanken mit 126 Zinssenkungen in 2024
Robert Halver von der Baader Bank geht davon aus, dass die EZB zur Abfederung von Rezessionsrisiken bis zum Jahresende noch zwei Zinsschritte vornehmen und den Trend 2025 fortsetzen wird. Bislang haben laut Halver im laufenden Jahr weltweit 52 Notenbanken ihre Zinsen insgesamt bereits 126-mal gesenkt, „da der Geist der offiziellen Inflation wieder in der Flasche ist“. In dieser Woche lockerte unter anderem die Schweizerische Nationalbank ihre Geldpolitik zum dritten Mal in Folge und avisierte weitere Zinsschritte.
Die international vollzogene Zinswende spiegelt sich auch in größtenteils fallenden Anleiherenditen wider. Während die langlaufenden Bonds zuletzt aber relativ stabil blieben, stehen die Renditen der Kurzläufer weiter unter Druck. Zweijährige Bundesanleihen rentieren aktuell bei 2,13 Prozent (Vorwoche: 2,23 Prozent), zehnjährige Papiere nahezu unverändert bei 2,19 Prozent. „Am kurzen Ende merkt man die Leitzinssenkungen deutlich“, konstatiert Tim Oechsner von der Steubing AG. Der Händler spricht mit Blick auf die jüngste Entwicklung von einer Normalisierung der Zinskurve. „Die untypische Situation, dass die kurzen Zinsen über den langen Zinsen liegen, klärt sich so langsam auf“. Die Renditekurve werde wieder steiler.
Langläufer bei Unternehmensbonds gesucht
Die Anleihespezialisten der Commerzbank gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung so fortsetzen wird. Weil sie aktuell „wenig Grund für noch tiefere Langfristrenditen“ und „eher Spielraum bei den kürzeren Laufzeiten“ sehen, präferieren die Strategen im Anleihebereich „kurze bis mittlere Laufzeiten“. Die Anleger*innen an der Börse Frankfurt fahren aktuell aber noch eine andere Strategie, indem sie sich die relativ hohen Renditen bei mittel- bis langfristig laufenden Papieren sichern. Oechsner berichtet zum Beispiel von einer starken Nachfrage nach den erst 2036 fällig werdenden Bonds von E.On (XS2747600109) und der Deutschen Post (XS2784415718), die aktuell Renditen von ca. 3,5 Prozent abwerfen.
Bei der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank beobachtet Beate Mägerle großes Kaufinteresse für Anleihen der Lufthansa (XS2892988275), von MTU (XS2887896574) und Fraport (XS2832873355) mit Fälligkeiten zwischen 2028 und 2032 sowie Renditen von 3,5 bis 3,7 Prozent. Umsatzstark ist auch die im Juli abgestürzte Anleihe von BayWa (DE000A351PD9), die sich zu Wochenbeginn deutlich erholen konnte. „Nach Liquiditätsproblemen im Sommer liegt nun ein positives Sanierungsgutachten vor“, erklärt die Händlerin. Dadurch habe sich das Kursniveau von ca. 40 Prozent Anfang September wieder etwas nach oben bewegt. Aktuell liegen die Taxen bei 44,50 zu 50,00 Prozent.
Underberg wird gesucht, Mutares abgestoßen
Bei einer insgesamt laut Oechsner „guten Stimmung“ gab es in den vergangenen Tagen relativ viele Neuemissionen, die auch gut aufgenommen wurden. Zur Wochenmitte geschlossen wurde die Zeichnung der Semper idem Underberg Anleihe (DE000A383FH4) mit einem Kupon von 5,75 Prozent, einer Laufzeit bis 2030 und einer Stückelung von nominal 1.000 Euro. „Der Bond war auf großes Interesse gestoßen und musste zugeteilt werden“, berichtet Mägerle. Die starke Nachfrage hat dafür gesorgt, dass der Kurs schnell von 100 auf 102 Prozent anstieg.
Weniger gut lief es für die Anleihe von Mutares (NO0012530965), die nach Anschuldigungen eines Aktien-Shortsellers bei regem Handel von über 105 Prozent im Tief bis auf 88 Prozent abrutschte. „Hier haben wir richtig viele Umsätze gesehen“, meldet Rainer Petz von Oddo BHF. Auf dem ermäßigten Niveau kam es dann aber auch schnell wieder zu Käufen, die den Kurs der Anleihe auf 96 Prozent steigen ließen.
Von Thomas Koch, 27. September 2024, © Deutsche Börse
Thomas Koch ist CEFA-Investmentanalyst, Investmentspezialist für strukturierte Produkte und geprüfter Zertifikateberater. Seit Anfang 2006 beschäftigt er sich als freier Journalist mit dem Geschehen an den Kapitalmärkten.
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