Nach der Rede von Fed-Chef Jerome Powell in Jackson Hole am vergangenen Wochenende richtete sich der Fokus der Börsen in dieser Woche auf die Zinspolitik der EZB. Bei den Renditen änderte sich dabei aber kaum etwas. Dafür kam es in einigen Unternehmensanleihen zu größeren Bewegungen.
30. August 2024. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung durch die EZB am 12. September ist weiter gestiegen. Verantwortlich dafür ist der anhaltende Trend zu sinkenden Teuerungsraten. Heute Vormittag meldete das Statistikamt Eurostat für den August eine von 2,6 Prozent im Vormonat auf 2,2 Prozent gesunkene Inflation in der Eurozone. Vor allem die gesunkenen Energiepreise waren hier ausschlaggebend. Die Strategen der DWS werten die Daten als „wichtiges Puzzleteil für die wachsende Zuversicht, dass das Inflationsziel von zwei Prozent erreicht werden kann“. Sie rechnen in zwei Wochen wie nahezu alle Marktteilnehmer mit einer Senkung der Leitzinsen um 25 Basispunkte.
Das Problem mit dem Basiseffekt
Die Analysten der NordLB warnen allerdings vor einer zu großen Zinssenkungseuphorie. Ihrer Ansicht nach können Basiseffekte (die Energiepreise sind seit Herbst 2023 gesunken) dazu führen, dass die Inflation in den nächsten Monaten wieder etwas anzieht. Das befürchtet auch Bundesbankchef Joachim Nagel, der auf die anhaltend starken Steigerungen bei den Dienstleistungspreisen hinweist. Dadurch könnte die Inflation bis weit ins Jahr 2025 über dem Zielwert der Währungshüter von 2,0 Prozent bleiben. EZB-Direktorin Isabel Schnabel mahnt ebenfalls zur Vorsicht. Das Tempo der politischen Lockerung dürfe nicht mechanisch sein und müsse sich auf Daten und Analysen stützen.
An den Rentenmärkten sind die Inflationsdaten mit einem gewissen Achselzucken hingenommen worden. „Die Zahlen haben sich nicht in den Kursen der Staatsanleihen niedergeschlagen“, erklärt Arthur Brunner von der ICF Bank. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen verharrt bei aktuell 2,25 Prozent unverändert in der seit mehreren Wochen intakten Range zwischen 2,10 und 2,30 Prozent. „Seit Anfang August gab es immer wieder Versuche, die Zone zu überwinden“, beschreiben die Strategen der Helaba. Dass der Ausbruch auch diesmal misslang, liegt ihrer Meinung nach daran, dass eine Senkung der Leitzinsen um 25 Basispunkte im September schon „zu rund 100 Prozent eskomptiert“ ist.
Die „Drei vor dem Komma“ muss es sein
Insgesamt verläuft der Handel an der Börse Frankfurt weiterhin ruhig, wie Klaus Stopp von der Baader Bank bestätigt. „Wir befinden uns immer noch mitten im Sommerloch“. Als Beleg dafür verweist der Rentenhändler auf die abgesagte Emission einer geplanten Anleihe des Staates Österreich mit einer Laufzeit bis 2086. „So etwas kommt äußerst selten vor“. Gekauft werden aktuell Bundesanleihen, wo bei der Rendite „noch eine Drei vor dem Komma“ steht. So wie es bei dem bis Februar 2025 laufenden Bond der Fall ist (DE0001102374).
Im Handel mit Unternehmensanleihen herrscht laut Rainer Petz von Oddo BHF insgesamt ebenfalls relativ wenig Bewegung. Ganz frisch am Markt sind zwei Lufthansa-Anleihen in 1.000 Euro-Stückelung mit Kupons von 3,625 Prozent bzw. 4,125 Prozent und Laufzeiten bis 2028 bzw. 2032 (XS2892988275 und XS2892988192). Stopp meldet zudem Kaufinteresse an einer bis August 2034 laufenden Anleihe des Autobauers BMW (XS2887901911).
Vertrauensvorschuss für Argentinien
Bei der ICF Bank berichtet Brunner von einer guten Nachfrage nach einer neuen Anleihe von Light AcquiCo (NO0013252452). Das Unternehmen hatte im Juni angekündigt, die Frankfurter LifeFit zu erwerben, eine der führenden Gesundheits- und Fitness-Plattformen in Deutschland. Gekauft wird zudem ein bis 2046 laufender Argentinien-Bond (XS2177365520), der Ende 2022 bis auf 17 Prozent abgestürzt war und jetzt bei 44 Prozent notiert. „Die neue Regierung wird von den Anlegern als zuverlässigerer Schuldner wahrgenommen, der Sparkurs wird honoriert“, erklärt der Händler.
Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank sieht vermehrt Verkäufe in dem schon vergangenen Woche recht rege gehandelt Bond des Windparkentwicklers PNE (DE000A30VJW3). In den beiden Vorwochen war die Aktie von PNE bereits deutlich abverkauft wurden, was den Vorstand zu einer erneuten Bestätigung der Jahresprognose animierte. Während sich die Aktie daraufhin etwas erholte, kam es bei der Anleihe jetzt zu Verkäufen und Kursrückgängen von ca. 4 Prozent. Die Rendite ist bei einer Laufzeit bis Juni 2027 auf 6,3 Prozent geklettert. Ebenfalls unter Druck steht eine Anleihe des kriselnden Agrarhandelsunternehmens Baywa (DE000A351PD9). Deren Kurs war im Juli wegen drohender Zahlungsunfähigkeit auf 30 Prozent abgesackt, hatte sich im Anschluss aber bis auf über 50 Prozent erholen können. Jetzt notiert der Bond wieder unterhalb von 40 Prozent.
US-Corporate Bonds werden gesucht
Bei der Steubing AG sind laut Agon Alihajdari momentan Anleihen von Fraport (XS2198879145), der Norddeutschen Landesbank (DE000NLB4XM6) und der amerikanischen John Deere Capital beliebt. Bei dem US-Hersteller von land- und forstwirtschaftlichen Materialien und Geräten hatte es jüngst Berichte über Massenentlassungen und eine Verlagerung der Produktion nach Mexiko gegeben. Der noch bis September 2033 laufende Bond ist seit April von 99 auf 105 Prozent gestiegen und wirft aktuell eine Rendite vom 4,5 Prozent ab (US24422EXE49).
Von Thomas Koch 30. August 2024, © Deutsche Börse