Die Börsen befinden sich aufgrund von Trumps protektionistischen Maßnahmen in einer unsicheren Lage. Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer des Finanzberaters Envestor, gibt in seiner Kolumne an, wie Anlegende in volatilen Zeiten Ruhe bewahren können.
14. April 2025. FRANKFURT (envestor): In den letzten Wochen erlebten DAX und Co. eine atemberaubende Berg- und Talfahrt. Trumps Zölle und ihre teilweise Rücknahme haben Anlegende geschockt. Ist das der Anfang eines Crashs? Wird MAGA-Amerika mit protektionistischen Maßnahmen die Weltwirtschaft in eine Krise stürzen? Oder hat Trump schlicht überzogen. Es gibt viele Extremszenarien, doch sollten sich Investorinnen und Investoren auf das konzentrieren, was sie beeinflussen können und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, meint Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer des Finanzberaters Envestor.
Die vergangenen Jahre haben Aktienanlegerinnen und -Anleger verwöhnt: Seit der Finanzkrise 2009 erlebten die Märkte einen fast ununterbrochenen Aufwärtstrend. Rückschläge wie 2018 (Zinsängste), 2020 (Corona) oder 2022 (Inflation) waren zwar schmerzhaft, aber immer nur von kurzer Dauer. Heute schieben viele Investoren Panik, so, wie in jeder Extremsituation an den Märkten. Die aktuelle Situation mag beunruhigend sein, doch sie ist keineswegs einzigartig. Selbst in der Corona-Krise zeigte sich: Wer rational bleibt und emotionale Entscheidungen vermeidet, kann langfristig profitieren. Panik ist dabei selten ein guter Ratgeber. Anlegende sollten sich nicht von Panik anstecken lassen. Fünf Tipps, um in volatilen Zeiten das Richtige zu tun.
1. Ist Ihr Portfolio ausgewogen?
Ein gut ausbalanciertes Portfolio ist das Fundament für Stabilität in turbulenten Zeiten. Doch viele Anlegende haben in den vergangenen Jahren ihr Portfolio „laufen lassen“ und das sogenannte Rebalancing vernachlässigt. Die regelmäßige Anpassung der Vermögensaufteilung an die ursprünglichen Ziele ist aber die Voraussetzung für ein stabiles Portfolio. Wenn Sie vor fünf Jahren ein Portfolio mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen aufgebaut haben, könnten stark steigende Aktienkurse diese Verteilung inzwischen auf 80 Prozent Aktien und nur noch 20 Prozent Anleihen verschoben haben. Das bedeutet: Ihr Portfolio ist riskanter geworden als ursprünglich geplant.
In einer Marktkrise kann eine überproportionale Aktienquote besonders schmerzhaft sein. Stellen Sie sich vor, Sie haben 100.000 Euro investiert und verlieren bei einem Aktienanteil von 80 Prozent plötzlich 20 Prozent – das sind 16.000 Euro Verlust. Hätten Sie Ihre ursprüngliche Verteilung beibehalten, wären es nur Buchverluste von 12.000 Euro gewesen.
Tipp: Überprüfen Sie auch in normalen Börsenzeiten Ihre Vermögensaufteilung und passen Sie sie an Ihre langfristigen Ziele an. Wenn Ihre Aktienquote zu hoch ist, könnte es auch in der aktuellen Krise sinnvoll sein, Anleihen oder Cash aufzubauen. Übrigens muss ein Rebalancing nicht so aussehen, dass Sie Gewinner verkaufen und Verlierer nachkaufen. Sofern Sie genug Cash in der Hinterhand haben sparen sich Handelskosten, wenn Sie nur die Verlierer aufstocken und nicht Gewinner verkaufen.
2. Haben sich Ihre finanziellen Rahmenbedingungen geändert?
Sie sollten immer neue Realitäten in Ihre Portfolio-Welt übersetzen. Denn ein Portfolio sollte niemals statisch sein, weil es immer Teil Ihrer Gesamtbilanz ist. Nehmen wir den Fall eines jungen Berufseinsteigers mit zunächst wenig Kapital: Für ihn spielt seine Arbeitskraft als sogenanntes Humankapital eine entscheidende Rolle. Verluste am Aktienmarkt sind für ihn weniger relevant als die Fähigkeit, langfristig Einkommen zu generieren. Daher sollte er eher sein Humankapital schonen: aufzuhören mit dem Rauchen und mehr Sport sind daher hier wichtiger als, sagen wir, einen Sparplan von 50 auf 75 Euro zu erhöhen. Wer dagegen mehr verdient, sollte unbedingt Konsum und Investieren in ein neues Gleichgewicht überführen und die Sparpläne in Fonds und ETFs aufstocken.
Tipp: Analysieren Sie Ihre gesamte finanzielle Situation – einschließlich Immobilienbesitz, Versicherungen und Altersvorsorgeplänen – bevor Sie Entscheidungen treffen. Dabei ist es hilfreich, alte Zöpfe abzuschneiden. Wer erkannt hat, dass die von Großeltern oder Eltern geschenkte Lebensversicherung kein optimales Vorsorgevehikel ist, sollte die Konsequenzen ziehen und überdenken, ob es nicht sinnvoll sein könnte, die Versicherung ruhen zu lassen und stattdessen einen Fondssparplan oder ETF-Sparplan abzuschließen. Versicherer können Risiken absichern, die besten Vermögensverwalter sind sie nicht.
3. Wie stark beeinflussen Marktveränderungen Ihre Strategie?
Die Einführung neuer Zölle oder geopolitische Spannungen können die Märkte kurzfristig erschüttern – wie aktuell durch protektionistische Maßnahmen der USA unter MAGA-Amerika geschehen. Doch solche Schocks sind oft weniger gravierend als zunächst befürchtet. Denken wir an die Corona-Krise zurück: Im März 2020 brachen die Märkte weltweit ein, doch bereits wenige Monate später begann eine beeindruckende Erholungsphase. Die Finanzkrise von 2008 war wiederum die Grundlage für die Niedrigzinsphase bis 2022. In dieser Phase genossen Anlegende die längste und stärkste Haussephase der letzten 30 Jahre.
Tipp: Lassen Sie sich nicht von kurzfristigen Ereignissen oder dem täglichen News Flow aus der Ruhe bringen. Langfristige Anlegende sollten ihre Sparpläne beibehalten oder sogar erhöhen, wenn die Kurse fallen – denn günstige Einstiegspreise sind der Garant für langfristig hohe Renditen.
4. Menschen sind programmierbar – auch im guten Sinn
Emotionen sind der größte Feind rationaler Anlageentscheidungen – das zeigt uns die inzwischen wissenschaftliche Disziplin des Behavioral Finance immer wieder eindrucksvoll. Ein klassisches Beispiel: Nach einem Kursverlust von 50 Prozent fühlen sich viele Anleger gezwungen zu verkaufen – aus Angst vor weiteren Verlusten. Doch genau in solchen Momenten bieten sich oft die besten Kaufgelegenheiten. Spielen Sie Ihren Affekten einen Streich und vergleichen Sie die Lage an den Märkten mit einer Preissenkung im Supermarkt: Lassen Sie Ihre Lieblingsmarmelade, wenn ein Preisrabatt winkt, oder wenden Sie sich ab und nehmen sich vor, die Marmelade erst dann zu kaufen, wenn sich ihr Preis verdoppelt hat?
Tipp: Überlegen Sie jede Entscheidung sorgfältig und vermeiden Sie impulsives Handeln aus Angst oder Euphorie. Langfristige Anleger sollten Kursverluste als Chance betrachten – vorausgesetzt, ihre Risikotragfähigkeit erlaubt dies.
5. Optimieren Sie das Kontrollierbare: Kosten statt Marktprognosen
Niemand kann den kurzfristigen Verlauf der Märkte zuverlässig vorhersagen – nicht einmal erfahrene Experten oder Fondsmanager. Was jedoch sicher ist: Die Kosten Ihres Portfolios beeinflussen direkt Ihre Rendite. Ein Beispiel: Ein aktiv gemanagter Fonds mit einer jährlichen Gebühr von 1,5 Prozent muss deutlich besser abschneiden als ein ETF mit einer Gebühr von nur 0,2 Prozent, um denselben Gewinn zu erzielen.
Tipp: Statt dem Markt hinterherzujagen oder teure Fonds oder Versicherungen zu kaufen, sollten Sie auf kosteneffiziente Produkte wie ETFs oder günstige Fonds setzen, die Handelskosten senken und langfristig investiert bleiben.
Von Ali Masarwah, 14. April 2025, © envestor.de
Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de, eine der wenigen Fondsplattform, die Cashbacks auf Fonds-Vertriebsgebühren zahlt. Masarwah analysiert seit über 20 Jahren Märkte, Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar. Seine Expertise wird auch von zahlreichen Finanzmedien im deutschsprachigen Raum geschätzt.
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.
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