Mit gigantischen Geldspritzen will Chinas Regierung den Immobilienmarkt retten und die Wirtschaft anschieben. Am Aktienmarkt kommt die Hilfsaktion bestens an, meint das ETF Magazin und nennt passende ETFs.
28. Januar 2025, München (ETF Magazin): Die Mitteilung des Politbüros war detailarm. Doch die Botschaft war eindeutig. An diesem letzten Dienstag im September versprachen die Beamten endlich die erhoffte Unterstützung für die angeschlagene chinesische Wirtschaft. „Die Wende ist vollzogen: Wirtschaftswachstum hat wieder Priorität“, jubelten die Ökonomen der Großbank HSBC wenig später in einer Mitteilung an ihre Kunden. Und nicht nur diese reagierten schnell. Innerhalb weniger Tage schossen die Kurse an der Börse in Shanghai um 25 Prozent nach oben. In Hongkong ging es mit 35 Prozent sogar noch weiter nach oben. Der Kurssprung reichte, um den Rückgang der vergangenen zwei Jahre aufzuholen. Einiges spricht dafür, das sich die Erholung an Chinas Aktienmarkt fortsetzt. Mit mehreren ETFs lässt sich davon profitieren
Geduld ist gefragt
Welche Summen tatsächlich in Chinas Wirtschaft gepumpt werden, ist bis jetzt nicht vollkommen klar. Viele Ökonomen schätzen, dass ein Paket mit einem Volumen zwischen 1 Billion und 3 Billionen Yuan geschnürt wird, was 142 bis 425 Milliarden US-Dollar entspricht. Einige haben sogar die Zahl von 10 Billionen Yuan (1,4 Billionen Dollar) ins Spiel gebracht. Diese Mega-Summe entspräche etwa 8 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. Mit ihrer Bazooka wollen Chinas Premier Xi Jinping und seine Planer das Wirtschaftswachstum sichern – indem sie vor allem den Lokalregierungen aus der Bredouille helfen, den Abbau versteckter Schulden ermöglichen und Investitionen in die Infrastruktur und andere Wachstumsbereiche finanzieren.
Bis die Geldspritzen wirken, wird wohl etwas dauern. Doch in China wurde ja schon immer Geduld geschätzt. Und Geduld ist schließlich häufig eine Voraussetzung, um langfristig zu profitieren, auch am Aktienmarkt. Ungeduld resultiert dagegen mitunter in verpassten Chancen. „Die Erfolgsgeschichte Chinas ist noch nicht zu Ende, um es vorsichtig auszudrücken“, erinnert Wei Yao, China-Analystin aus dem Cross Asset Research der französischen Großbank Société Générale. Für Anlegende lautet deshalb jetzt nicht die entscheidende Frage, ob das Kursfeuerwerk am chinesischen Aktienmarkt schon abgebrannt ist. Stattdessen sollten sich Investoren fragen, ob sie es sich längerfristig leisten wollen, auf Aktien der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zu verzichten.
Und das Potenzial ist groß
Noch zur Jahresmitte waren Emerging-Markets-Investoren in Aktien aus Hongkong und China massiv untergewichtet, berechnete Nomura Research. Womöglich jedoch nicht mehr allzu lange. „Buy everything!“ kommentierte David Tepper, Portfoliomanager des Hedgefonds Appaloosa, die Stimulierungs-Offensive von Chinas Regierung und Zentralbank. Sein Appell bedeutet eine Wende um 180 Grad. In den vergangenen Jahren galt in Bezug auf chinesische Aktien für Fondsmanager eher das Gegenteil: „Sell everything“. Der plötzliche Stimmungsumschwung der Investoren erklärt, warum im September die Kurse so extrem nach oben schossen. Überrascht von der Kurswende der Politik, mussten offensichtlich viele Fonds ihre Short-Positionen abbauen und waren deshalb zu massiven Käufen gezwungen.
Nach dem ersten Kaufrausch kam es erst einmal zu einer Verschnaufpause am chinesischen Aktienmarkt. Doch die muss nicht ewig dauern. Spätestens wenn die staatlich verordneten Geldspritzen Wirkung zeigen, dürften weitere Käufe folgen. Nach Ansicht von Zhang Jun, Chefökonom von China Galaxy Securities, taugt deshalb ein Drache am besten als Sinnbild für den chinesischen Aktienmarkt. „Der chinesische Drachen vollzieht keinen geradlinigen Flug in den Himmel. Stattdessen sammelt er bei seinem Aufstieg immer wieder Kraft, umso allmählich nach oben zu kreisen“, sagt Zhang.
Überraschend ist auch, dass die Nachrichten aus China so viele Investoren überrascht haben. Chinas politisch definierte Wachstumsziele sind quasi die Bibel für die Wirtschaftspolitik. Das Wirtschaftswachstum folgt eng den Vorgaben des Politbüros. Um das Ziel von 4,5 bis fünf Prozent Wachstum für 2024 einzuhalten, musste deshalb etwas passieren – und es könnten durchaus noch weitere Wachstumsimpulse folgen.
Die meisten Ökonomen stimmen darin überein, dass die chinesische Volkswirtschaft noch mehr Unterstützung benötigt und strukturelle Reformen notwendig sind. Ein robustes Konjunkturpaket muss zustande kommen. Auch Premier Xi und seine Führungsmannschaft haben inzwischen erkannt, Exporte als Wirtschaftsmotor reichen nicht mehr aus, auch weil diese Politik im Ausland auf kalten politischen Gegenwind stößt. Schon seit Längerem beabsichtigen deshalb die Strategen im Politbüro, dem Binnenkonsum eine größere Rolle einzuräumen.
Steigender Druck
Chinas Regierung wird zwar nicht direkt vom Volk gewählt, dennoch sollte man nicht vergessen, dass ihre Legitimation auch darin begründet liegt, Wohlstand und Wirtschaftswachstum zu liefern. Zuletzt wirkte der Aufschwung am Immobilienmarkt als Hebel, um Millionen chinesischer Haushalte in die Mittelschicht zu befördern. In Chinas Städten besitzen inzwischen neun von zehn Haushalte mindestens eine Immobilie, berichtet Sonja Beer, Volkswirtin beim Institut der Deutschen Wirtschaft. In Deutschland gehört nur jedem zweiten Haushalt eine Immobilie. Chinesische Haushalte halten damit schätzungsweise 60 bis 70 Prozent ihres Vermögens in Wohnimmobilien.
Eines ist deshalb relativ klar: Peking kann dem Preisverfall der Wohnimmobilien nicht ewig tatenlos zusehen. Und die Dringlichkeit hat zugenommen. Nach Angaben der Investmentbank Goldman Sachs sanken die Immobilienpreise allein im Juli um mehr als sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den vergangenen Jahren hatte Peking schon einiges unternommen, um die Bauwirtschaft zu stützen und damit die konjunkturellen Bremseffekte zu begrenzen. Immerhin macht der Immobilien- und Bausektor 25 Prozent der chinesischen Wirtschaft aus. Den meisten Rettungsversuchen war aber kaum Erfolg beschert. „Solch eine Schlappe will die Regierung nun offensichtlich nicht noch einmal erleben, weswegen sie dieses Mal aus dem Vollen schöpft“, kommentiert Andreas A. Busch, Senior Economist der Fondsgesellschaft Bantleo.
Eine weitere Stärkung des Binnenkonsums wird dabei immer wichtiger. Zwar hat China in den letzten Jahren enorm in technisches Know-how investiert, doch die Früchte dieser Investitionen werden wohl eher in der Zukunft zu ernten sein. Dem darniederliegenden Immobiliensektor kann damit allein nicht schnell auf die Beine geholfen werden. Geldpolitische Lockerung und gezielte Unterstützung für Wohnungsinvestoren sind also unverzichtbar.
Langfristig könnten sogar noch entschlossenere Maßnahmen folgen, beispielsweise ein verbraucherorientiertes Steuerpaket. Chinas Führung lässt sich auch in dieser Hinsicht nicht gerne in die Karten schauen., es ist aber unwahrscheinlich, dass die Politik tatenlos zusieht, wie der jetzt begonnene Aufschwung am Aktienmarkt ausläuft und die Wirtschaft langsamer wächst, während die Mittelschicht ihr Vermögen verliert.
Attraktive Bewertung
Ausländische Investoren können nicht auf eine Trendwende bei chinesischen Wohnimmobilien setzen. Die Gesetze sind für Ausländer sehr restriktiv. Für Nicht-Chinesen liegt die Chance im Aktienmarkt. Die Ausgangsbasis ist gut. So ist die Bewertung chinesischer Aktien trotz der Kursexplosion im September noch niedrig, sowohl im Vergleich zu US-Aktien als auch zu anderen Schwellenländern. Die Aktien im breiten MSCI-China-Index werden aktuell ungefähr mit dem elffachen des im nächsten Jahr erwarteten Jahresgewinns bewertet.
Damit liegt die Bewertung noch immer leicht unter dem (niedrigen) Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Bei den im CSI-300-Index versammelten A-Aktien liegt die Bewertung mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 14 leicht über dem langfristigen Mittelwert. Besonders günstig bewertet, in Relation zum 10-Jahres-Durchschnitt, sind dabei aktuell Aktien aus den Sektoren Technologie, Energie und langlebige Konsumgüter.
Andererseits sind Aktienanalysten derzeit nur moderat optimistisch, was das Gewinnwachstum der chinesischen Unternehmen betrifft. Für die Aktien im MSCI-China-Index prognostizieren Analysten für das nächste und das übernächste Jahr ein mittleres Gewinnwachstum von rund elf Prozent, nach Angaben der Datenbank Refinitiv. Besonders kräftige Gewinnsprünge erwartet die Analystengemeinde im Technologie- und Pharma-Bereich. Laut Konsensschätzung schnellen die Gewinne im Technologiesektor im kommenden Jahr um beeindruckende 37 Prozent nach oben. Im Gesundheitssektor werden knapp 30 Prozent Gewinnsteigerung erwartet.
Ein weiterer Vorteil des chinesischen Aktienmarktes: Die Korrelation zu anderen großen Aktienmärkten ist niedrig. Chinesische Aktien sind deshalb im Wertpapierportfolio ein guter Diversifikator, erinnern die Cross-Asset-Strategen der Société Générale.
Noch Potenzial
Eine Hausse am Aktienmarkt verläuft häufig in drei Phasen. Zunächst kommt die initiale Akkumulationsphase. Diese wird häufig ausgelöst von professionellen Investoren, die schnell ihre Positionierung ändern. Danach folgt eine Phase der Ruhe mit moderaten Kursrückgängen oder stagnierenden Kursen. Anschließend kommt die Phase zunehmender Publikumsbeteiligung. Diese Phase ist oft die längste und profitabelste. Die dritte Phase der Hausse ist gekennzeichnet durch Über-Optimismus (dem dann gern eine Baisse folgt). Von dieser dritten Phase dürfte Chinas Aktienmarkt allerdings noch weit entfernt sein. Folgt man jedoch der Einschätzung, dass in China die Erholung begonnen hat, ist es noch nicht zu spät zum Einstieg. Anleger, die bei der Kursexplosion im September nicht dabei waren, haben so gesehen nicht zwangsläufig die Hausse verpasst.
Schnell nach Schanghai
Direkt an Chinas Aktienmarkt dürfen sich nur wenige ausländischen Investoren engagieren. Doch indirekt ist die Teilnahme kein Problem. Mit den richtigen ETFs gelingt der Einstieg preiswert und unkompliziert. Aber welcher ETF ist der passende? Um diese Frage zu beantworten, sollten Investoren die verschiedenen Klassen der chinesischen Aktien kennen, Einige ETFs enthalten alle Klassen, andere nur einige. Dementsprechend unterschiedlich ist auch die Wertentwicklung der ETFs.
An den Börsen in Shanghai und Shenzhen werden die sogenannten A-Aktien gehandelt. Diese verbriefen Anteile an Unternehmen mit Sitz in Festlandchina. A-Aktien sind in der Regel in Chinas Währung Renminbi (RMB) notiert. In Shanghai und Shenzhen werden darüber hinaus B-Aktien in Fremdwährungen gehandelt. In Shanghai lauten BAktien auf US-Dollar und in Shenzhen auf Hongkong-Dollar. Dann gibt es noch H-Aktien und Red Chips. H-Aktien werden an der Börse in Hongkong in Hongkong-Dollar gehandelt. Diese Aktien sind internationalen Investoren leicht zugänglich und unterliegen den Regeln der Hongkonger Börse.
Red Chips sind Aktien von Unternehmen aus China, die außerhalb des chinesischen Festlands registriert sind, meist in Hongkong, und dort auch an der Börse gehandelt werden. Diese Unternehmen haben in der Regel staatliche Verbindungen oder werden vom chinesischen Staat kontrolliert. Red Chips ermöglichen, indirekt in chinesische Unternehmen zu investieren, ohne die Einschränkungen der Festland-Börsen. P-Chips sind dagegen Aktien von Privatunternehmen, die ihren Sitz außerhalb des chinesischen Festlands haben, aber den Großteil ihrer Geschäfte in China machen. Sie sind in Hongkong notiert und werden in Hongkong-Dollar gehandelt.
Wer Aktien aus all diesen Kategorien will, greift am besten zu einem ETF, der den MSCI China abbildet. Dieser Index repräsentiert nach den Vorstellungen seines Schöpfers MSCI rund 85 Prozent des chinesischen Aktienmarktes. Im Index finden sich rund 600 sehr große bis mittelgroße chinesische Aktien aus allen China-Aktien-Kategorien sowie einige Titel, die an der US-Börse notieren. Die Gewichtung der einzelnen Aktien erfolgt anhand ihrer Streubesitz-Marktkapitalisierung. Etwa die Hälfte der Aktien im Index stellen Red Chips, gut 20 Prozent entfallen auf P-Chips. A-Aktien sind im Index nur mit rund 20 Prozent ihrer Marktkapitalisierung enthalten und kommen so auf etwa 16 Prozent Anteil.
Die US-Fondsgesellschaft Blackrock (iShares) bietet den größten europäischen ETF auf den MSCIChina-Index. BNP Paribas hat einen ETF auf diesen Index im Programm, zusätzlich Nachhaltigkeitskriterien (SRI) berücksichtigt. Der Franklin FTSE China ETF bildet einen Index ab, der dem MSCI-China-Index stark ähnelt. Dementsprechend geringfügig sind die Differenzen in der Performance.
Wer ausschließlich auf chinesische Festlandaktien setzen möchte, greift zum Xtrackers CSI-300 Swap ETF oder zum Amundi MSCI China A ETF. Der Xtrackers-ETF repliziert (mithilfe von Swaps) die Wertentwicklung der 300 größten und liquidesten A-Aktien aus Shanghai und Shenzhen. Der Amundi MSCI China A ETF enthält aktuell die 432 größten A-Aktien dieser Börsen. Wer dagegen A-Aktien explizit ausklammern möchte, kann zum Deka MSCI China ex A Shares ETF greifen. Der Fonds investiert in chinesische Aktien, die außerhalb des chinesischen Festlands gehandelt werden, vor allem in Hongkong. Dennoch kann der Fonds etwa 85 Prozent der größten chinesischen Unternehmen tracken.
China-Aktien im Paket
Von Michael Fischer, Januar 2024, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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