Indiens Wirtschaft wächst weiter äußerst dynamisch. Das dürfte auch dem Aktienmarkt zugute kommen. Mehrere ETFs für indische Aktien stehen schon bereit, die das ETF Magazin nennt.
3. September 2024. MÜNCHEN (ETF Magazin). Im Sommer wurde in Mumbai die teuerste Hochzeit der Welt gefeiert: Anant Ambani, Sohn des reichsten Mannes Asiens, vermählte sich mit Rhadika Merchant, Tochter des indischen Milliardärs Viren Merchant. Mehr als eine Milliarde US-Dollar sollen laut „Times of India“ die monatelangen Feierlichkeiten mit mehr als 1.000 Gästen gekostet haben – inklusive privater Konzerte von Katy Perry, Rihanna, Justin Bieber und einer Bollywoodstar-Bühnenshow.
Indien: Wie das Hochzeitspaar setzt auch das Land selbst auf Größe.
Indien will von der fünftgrößten zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen. Purer Größenwahn ist das allerdings nicht. Bewahrheiten sich die Prognosen des Internationalen Währungsfonds IWF, wird Indien schon in fünf Jahren Japan und Deutschland überholen und weltweit zur Nummer drei nach den USA und China werden. Auch glänzende Entwicklung vieler indischer Aktien passt zm Gipfelsturm.
Der MSCI-India-Index stieg im vergangenen Jahr rund 30 Prozent – deultich mehr wie der breite Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets. Der MSCI-China-Index (plus 3,5 Prozent) wurde noch deutlicher abgehängt. Nur kurz belasteten die Anfang Juni beendeten Parlamentswahlen und der Verlust der absoluten Mehrheit für die Partei des alten und neuen Ministerpräsidenten Narendra Modi. Der indische Aktienmarkt brauchte nur drei Handelstagen seine Verluste von fast 6 Prozent auszubügeln, so wenig wie nie zuvor in der jüngeren Geschichte. „Die Erholung spiegelt das unerschütterliche Vertrauen der inländischen Privatanleger wider“, kommentiert Ting Dina Ting vom ETF-Anbieter Franklin Templeton.
Die überdurchschnittliche Entwicklung in diesem Jahr ist keine Ausnahmeerscheinung. In den vergangenen fünf Jahren kam der Indien-Index auf einen durchschnittlichen Zuwachs mehr als 20 Prozent pro Jahr. In den vergangenen zehn Jahren lag die mittlere Jahresrendite bei 14 Prozent. Der Emerging Markets-Index schaffte in der gleichen Zeit nur 8 Prozent beziehungsweise 6,4 Prozent pro Jahr. Der MSCI-China-Index brachte dagegen im vergangenen Jahrzehnt unterm Strich Verluste.
Hohe ETF-Zuflüsse
Auch am ETF-Markt blieb die gute Entwicklung der indischen Börse nicht unbemerkt. Im ersten Halbjahr flossen in Europa satte 2,4 Milliarden Euro in Indien-ETFs, wie Zahlen des Münchner ETF-Handels- und Analysehauses Crossflow zeigen. Damit war Indien das drittbeliebteste Land hinter den USA und Japan – und weit vor China mit Zuflüssen von schlappen 448 Millionen Euro.
Indiens Börse profitiert von der guten Wirtschaftsentwicklung. Der IWF hat im Juli seine Prognosen angehoben und rechnet für dieses Jahr nun mit einem Wachstum von 7 Prozent, nächstes Jahr sollen es 6,5 Prozent sein. Das ist kaum weniger als die Wachstumsraten von 7 Prozent im Jahr 2022 und 8,2 Prozent 2023. Indien bleibt damit Wachstumsspitzenreiter unter den großen Schwellenländern. Konkurrent China soll dem IWF zufolge in diesem und dem nächsten Jahr nur um 5 Prozent und 4,5 Prozent wachsen, nach 5,2 Prozent im Jahr 2023.
Nach Einschätzung von Alessia Berardi von der Fondsgesellschaft Amundi sind die robuste Inlandsnachfrage und der starke Investitionszyklus des Landes Haupttreiber der wirtschaftlichen Dynamik in Indien. Chinas Wachstumspfad sei hingegen mit mehr Unsicherheiten behaftet, darunter viel Regulatorik und geopolitische Spannungen. „Indiens makroökonomische Stabilität und vielversprechende Wachstumsaussichten machen es zu einem attraktiven Investitionsziel“, erklärt Berardi.
Auch Dina Ting von Franklin Templeton zeigt sich zuversichtlich: „Laut Bloomberg Economics soll in Indien bis 2026 neue Infrastruktur im Wert von 534 Milliarden Dollar geschaffen werden“, erklärt sie. Das entspreche inflationsbereinigt der Summe aller in den vergangenen elf Jahren errichteten Infrastruktur. Weitere Pluspunkte: die anhaltenden Investitionen ausländischer Tech-Giganten, Fortschritte in der Luft- und Raumfahrt und die Modernisierung des Militärs. Ting verweist auch auf das Anfang dieses Jahres geschlossene Handelsabkommen mit der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA (Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz). Das sieht die Aufhebung der Zölle im Gegenzug für ausländische Direktinvestitionen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar vor. „Es wird erwartet, dass das EFTA-Abkommen in den nächsten anderthalb Jahrzehnten eine Million Arbeitsplätze in Indien schaffen wird“, sagt Ting. Sie geht davon aus, dass die eingeleiteten politischen Reformen eine solide Grundlage für das Exportwa
Durchschnittsalter Jung
„Seit Modi vor rund zehn Jahren an die Macht kam, weist Indien eine bemerkenswert starke wirtschaftliche Entwicklung auf“, erklärt auch Javier Garcia, Portfoliomanager Emerging Asia bei der Berenberg Bank. Und das Potenzial sei weiterhin hoch. Ein Grund dafür sei die sehr junge Bevölkerung. Das Durchschnittsalter in Indien liege bei 28 Jahren, in Deutschland hingegen bei 45 Jahren. „Junge Menschen sind ausgabefreudiger: Sie wollen Reisen, brauchen Bildung sowie Bankkonten und nutzen die sozialen Medien.“ Zudem sei der Verschuldungsgrad der indischen Bevölkerung eher gering, was ebenfalls für eine Ausweitung des Konsums spreche.
Ein weiteres Zeichen für Indiens wachsendes Gewicht: Im Mai hat Indexanbieter MSCI die Gewichtung Indiens im Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets auf den Rekordstand von 19 Prozent hochgesetzt – 2020 lag der Anteil Indiens noch bei 9 Prozent. Konkurrent China, kommt im MSCI-Emerging-Markets-Index auf ein Gewicht von 25 Prozent. Zudem wurden indische Anleihen Ende Juni dieses Jahres erstmals in den wichtigen Schwellenländeranleihen-Index JP Morgan Emerging Market Bond aufgenommen. Der ist Grundlage zahlreicher Renten-ETFs, in die weltweit viel Geld fließt.
Vollkommen rosarot ist das Bild aber nicht. Indien hat noch einen weiten Weg vor sich. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Nur jeder Zweite unter den 950 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter ist in Beschäftigung. Das Bildungssystem gilt als reformbedürftig, die Infrastruktur ist lückenhaft, die Luftverschmutzung ist ein enormes Problem. „Indien ist ein Land extremer Gegensätze“, erklärt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Man finde dort boomende Zentren wie Mumbai, Delhi oder Bangalore mit immer mehr enorm reichen Familien. Gleichzeitig gebe es aber auch Millionen Menschen in extremer Armut; etwa 15 Prozent der Bevölkerung sei unterernährt. Auch die politische Entwicklung der „größten Demokratie der Welt“ stimmt viele skeptisch. Modi lässt abweichende Meinungen immer weniger zu, Muslime werden zunehmend ausgegrenzt.
Gefragte Indien-ETFs
Die hohen Zuflüsse in indische Aktien und Aktien-ETFs zeigen außerdem, dass Indien kein Geheimtipp mehr ist. Seit 2023 wurden rund 30 Milliarden Dollar in Indien-Aktienfonds gepumpt. Inzwischen zählt der indische Aktienmarkt zu den teuersten Märkten weltweit. Indische Aktien sind deutlich höher bewertet als andere Schwellenländerpapiere. Alessia Berardi von Amundi relativiert das jedoch etwas: Trotz der relativ hohen Bewertungen sei es für ein Investment noch nicht zu spät, denn „die wirtschaftlichen Fundamentaldaten des Landes sind nach wie vor stark“. Branchen wie der Finanzsektor und das Gesundheitswesen bieten nach ihrer Einschätzung weiter Potenzial. Auch die robuste Konjunktu und die umsichtige Steuer- und Geldpolitik seien Pluspunkte.
Über Xetra werden derzeit acht Indien-Aktien-ETFs gehandelt (siehe Tabelle). Die meisten bilden den MSCI-India-Index ab, einige aber auch den FTSE India und den Nifty 50. Der mit Abstand größte Indien-ETF ist mit einem verwalteten Vermögen von über 5 Milliarden Euro der iShares MSCI India ETF. Auch von Amundi gibt es einen ETF auf den MSCI India Index. Der MSCI India ist mit 146 Einzelwerten gut diversifiziert. 24 Prozent des Portfolios entfallen auf den Finanzsektor, 13 Prozent auf den zyklischen Konsumsektor, sowie jeweils rund 10 Prozent auf die IT- und Energiebranche sowie den Industriesektor. Schwerste Aktien sind derzeit der Mischkonzern Reliance Industries, die ICICI Bank, der IT-Riese Infosys, die HDFC Bank und das IT-Unternehmen Tata Consultancy.
Allerdings sind die Kosten für beide ETFs mit 0,65 Prozent und 0,85 Prozent eher hoch. Sehr günstig ist dagegen der Franklin FTSE India ETF. Der ETF investiert in 231 Unternehmen, das größte von ihnen darf maximal 30 Prozent ausmachen, die anderen maximal 18 Prozent. Auf den Nifty 50 setzt ein ETF von Xtrackers, der Xtrackers Nifty 50. Dieser schneidet mit der Kursentwicklung allerdings deutlich schlechter ab als die MSCI India- und FTSE India-ETFs – wohl auch wegen der sehr hohen Kosten von 1,48 Prozent. Der Nifty-50-Index ist der aus den 50 größten indischen Aktiengesellschaften bestehende Index der National Stock Exchange of India (NSE).
Noch neu und dementsprechend klein sind zwei auf Technologieaktien fokusierte ETFs: der HSBC S&P India Tech, der breit auf den indischen Technologiesektor setzt, sowie der INQQ India Internet, der den Schwerpunkt auf Internet und E-Commerce setzt. Auch Anleihen-ETFs sind verfügbar: der L&G India INR Government Bond, und der noch recht kleine Xtrackers India Government Bond ETF.
Von Anna-Maria Borse, September 2024, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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