Fondsmanager Frank hat einige Ideen, wie es für die hiesige Wirtschaft und an den Aktienmärkten nach der denkwürdigen vergangenen Woche weitergehen kann.
11. November 2024. FRANKFURT (pfp Adisory). Wohl selten in der jüngeren Geschichte Deutschlands hat sich an einem einzigen Tag politisch so viel gedreht wie am vergangenen Mittwoch. Am Morgen wurde offensichtlich, dass Donald Trump und die Republikaner die Wahlen in den USA klar gewonnen haben, am Abend zerbrach die Ampel-Regierung in Deutschland. Ich kann nicht ausschließen, dass wir alle in ferner Zukunft bilanzieren werden, dass dieser Tag für Deutschland und Europa eine echte Zeitenwende war. Doch das ist in erster Linie eine Frage für Historiker (und aus heutiger Sicht für Prognostiker).
Unstrittig erscheint mir indes, dass dieser 6.11.2024 auch für die deutsche Wirtschaft und den hiesigen Kapitalmarkt einiges verändern kann. Dass Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt, hat mich persönlich nicht überrascht; die letzten Umfragen und Quoten bei den Wettanbietern ließen eigentlich keinen anderen Schluss zu. Dass die rote Welle so eindeutig werden würde, die Republikaner neben dem Präsidentenamt auch den Senat und wahrscheinlich das Repräsentantenhaus erobern und erstmals seit 20 Jahren sogar die Mehrheit der absoluten Stimmen („Popular Vote“) erringen konnten, war indes nicht zu erwarten. Positiv daran: Zu dem in den meisten Medien erwarteten knappen Ergebnis kam es nicht. Wiederholte Stimmauszählungen, Anfechtungsklagen, anhaltende Unsicherheiten oder gar politische Unruhen sind bei diesem glasklaren Resultat unwahrscheinlich.
Überwiegend negativ hingegen dürften die Folgen für die deutsche Wirtschaft sein. Trump ist nachgewiesenermaßen kein Freund des Freihandels, von dem Deutschland viele Jahre so prächtig profitieren konnte. Ganz im Gegenteil: Trump mag Zölle und Einfuhrbeschränkungen, die die exportortorientierte deutsche Volkswirtschaft besonders stark treffen könnten. Dazu versucht er, getreu dem Motto „America First“ US-Firmen den Weg freizuschaufeln und deren Steuerlast zu senken, betreibt folglich eine sehr aktive Standortpolitik.
Also mehr oder weniger das Gegenteil dessen, was in Deutschland in den vergangenen Jahren regierungsseitig getan wurde. Der Fokus der Ampel lag m. E. auf Umverteilung und ideologischen Projekten, nicht auf dem Erwirtschaften von Wohlstand und der Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Die selbsternannte „Fortschritts-Koalition“ war gewiss keine Wirtschafts-Koalition. Insofern könnte das zweite Großereignis, das Zerbrechen der Ampel, für die hiesige Ökonomie auch ein Weckruf sein. In den vergangenen drei Jahren erlebte ich kaum einen Austausch mit Unternehmenslenkern, während dem diese nicht über die Wirtschaftspolitik der Berliner Koalition gestöhnt hätten. Nach meinem Eindruck dürfte kaum ein Firmenchef der Ampel eine Träne nachweinen.
In jedem Fall ist der Druck, Veränderungen einzuleiten und wichtige Reformen endlich anzupacken, durch Ampel-Aus und Trump 2.0 noch einmal größer geworden. Das kann auch eine Chance sein: Eine neue deutsche Regierung könnte echte und anfangs wohl auch schmerzhafte Strukturreformen genau dadurch begründen. Dass die Zeiten herausfordernd und Reformen notwendig sind, dürften inzwischen die wenigsten Deutschen leugnen. Zugegeben: Dieses Reform-Szenario ist optimistisch, aber mit der „Agenda 2010“ gelang vor rund 20 Jahren schon einmal Vergleichbares in schwieriger Lage.
Was ist zu tun? Vorrangig sollten Maßnahmen ergriffen werden, die den ampelgeschwächten Wirtschaftsstandort Deutschland stärken, z. B. Steuersenkungen, Befreiung von überflüssiger Bürokratie (aktiver Abbau plus ggf. ein Moratorium für neue Vorschriften, Einstellungsstopp für neue Bürokraten), Reduzierung der Fehlanreize bei der Arbeitszeitausweitung, Abschaffung ineffizienter Subventionen, eine vernünftige und ideologiefreie Energiepolitik, die halbwegs konkurrenzfähige Energiepreise ermöglichen sollte… Generell sollte es weniger Einmischungen des Staates geben, der stattdessen verlässliche und sinnvolle Rahmenbedingungen setzen sollte. Vorschläge hierfür existieren seit Jahren, einige davon hat Ex-Finanzminister Christian Lindner kürzlich in seinem „Scheidungspapier“ aufgegriffen. (Warum erst jetzt und nicht früher?) Auch außenpolitisch wäre einiges möglich: Warum ließen Regierungen Freihandelsabkommen an angeblichen Chlorhühnchen scheitern? Warum wurden keine neuen Anläufe unternommen oder wenigstens Teilabkommen geschlossen? Ich mag mir nicht vorstellen, wie komfortabel unsere Lage wäre, hätten wir ein Freihandelsabkommen mit den USA, über das sich auch ein wiedergewählter Präsident Trump nicht einfach hinwegsetzen könnte.
Alle diese Maßnahmen sollten möglichst schnell angepackt werden, nicht erst nach monatelanger politischer Selbstbespiegelung und zu spät angesetzten Neuwahlen. Unternehmen brauchen jetzt Planungssicherheit, um hier zu investieren und nicht im „gelobten Land“ USA. Die To-do-Liste für eine neue deutsche Regierung im Angesicht von Trump 2.0 ist zweifellos lang, und der Weg zurück zu alter wirtschaftlicher Stärke könnte beschwerlich sein. Doch er ist gangbar und wurde mit der „Agenda 2010“ vor rund 20 Jahren schon einmal gegangen. Und er lohnt sich: An seinem Ende standen eine deutlich gesenkte Arbeitslosenquote, ein „Wirtschaftswunder 2.0“ – und eine Vervielfachung bei Deutschlands wichtigsten Aktienindizes.
Von Christoph Frank, 11. Novemeber 2024, © pfp Advisory
Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters verwaltet der Experte, der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktiv ist, den 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds DWS Concept Platow (LU1865032954) sowie den im August 2021 aufgelegten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Informationen unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Frankfurter Wertpapierbörse.
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