NEW YORK (dpa-AFX) - Der Wiederbewaffnungszyklus in Europa ist nach Auffassung der US-Bank JPMorgan angesichts der jüngsten Ereignisse nun Realität. Die vergangenen zwei Wochen hätten seine vor einem Jahr aufgestellte These untermauert, dass ein solcher Zyklus kommen und mindestens eine Dekade dauern werde, schrieb Analyst David Perry in seiner am Montag veröffentlichten Studie zu europäischen Rüstungsaktien. In der Folge hob er seine auf Dezember 2026 ausgerichteten Kursziele für von ihm beobachtete Branchenwerte im Schnitt um 25 Prozent an.
Dänemark und Großbritannien hätten bereits vor einigen Tagen erhebliche Erhöhungen ihrer Verteidigungshaushalte angekündigt. Und der hiesige Kanzlerkandidat Friedrich Merz habe allein für Deutschland einen Sonderverteidigungsfonds in Höhe von 200 Millionen Euro vorgeschlagen, schrieb Perry. "Der Nato gehören 30 europäische Länder an, und wir gehen davon aus, dass viele von ihnen bald deutlich höhere Verteidigungsausgaben beschließen werden." Dabei verwies er auf entsprechende Aussagen des Nato-Generalsekretärs Mark Rutte vom Sonntag.
Zwar sei es noch zu früh, um zu beziffern, um wie viel genau die europäischen Verteidigungsausgaben wachsen werden, schrieb Perry. Dennoch geht er davon aus, dass das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Europa wachsen wird. Dies gelte auch für den Anteil des BIP, der für Rüstung aufgewendet wird. Zugleich werde der Anteil der Ausgaben europäischer Länder bei den europäischen Lieferanten steigen, schrieb er weiter. "Zusammenfassend erwarten wir in den nächsten 5 bis 10 Jahren im Schnitt ein mindestens zweistelliges Wachstum der europäischen Umsätze in der Sparte. Wir wissen nur nicht, ob zweistellig 10 Prozent bedeutet oder etwas viel Höheres."
Die durchschnittlichen Analystenschätzungen sieht Perry in den kommenden Monaten und Jahren damit ebenfalls deutlich steigen. Dies gelte auch für die Prognosen der Rüstungsunternehmen selbst - auch wenn dies 2025 noch nicht passieren könnte, da die Verabschiedung der Verteidigungshaushalte in den einzelnen europäischen Nato-Ländern Zeit brauche. Zudem müssten die Ausgaben anschließend erst noch verteilt und Verträge mit Lieferanten ausgehandelt werden. Eine Neubewertung des europäischen Verteidigungssektors steht laut Perry jedenfalls an, da Investoren das starke Wachstum und die klare Zukunftssicht gefallen dürften.
Mit Spannung erwartet der JPMorgan-Experte in den kommenden zwei Wochen zur Vorlage der Jahresberichte von Thales FR0000121329, Dassault Aviation FR0014004L86 und Rheinmetall DE0007030009 die Aussagen der Unternehmen zum Ausblick. "Obwohl es für die Unternehmen noch zu früh ist, ihre Prognosen zu ändern, dürfte doch der Ton der Managementkommentare sehr interessant sein."
Weitere Ereignisse, die positive Impulse für die Branche liefern dürften, sieht Perry unter anderem in der Aktualisierung des Geschäftsplans des italienischen Rüstungskonzerns Leonardo IT0003856405 am 11. März. Der Leonardo-Aktie hatte er deshalb vorab den Status "Positive Catalyst Watch" verliehen. Weitere Kurstreiber könnten Trumps Antrag für den US-Verteidigungshaushalt des Jahres 2026 im April sowie der Nato-Gipfel im Juni sein.
Für Rheinmetall setzte Perry das Kursziel von 800 auf 1.200 Euro nach oben. Er bezeichnet das Unternehmen als "Deutschlands nationalen Champion im Bereich Verteidigung". Rheinmetall dürfte besonders von den deutschen Entscheidungen zur Erhöhung der Rüstungsausgaben profitieren, schätzt er.
Auch die britische BAE Systems GB0002634946, deren Kursziel er von 1.630 auf 1.725 Pence anhob, und Qinetiq GB00B0WMWD03 mit neuem Kursziel von 570 (zuvor 535) Pence sieht er als Nutznießer. Für Thales FR0000121329 in Frankreich (Kursziel von 195 auf 220 Euro angehoben) und Leonardo in Italien (Kursziel von 33,50 auf 44,00 Euro hochgesetzt) erwartet er ebenfalls ein starkes Umsatzwachstum in den kommenden Jahren. Alle diese Titel hat er daher mit "Overweight" bewertet.
Für Hensoldt DE000HAG0005 und Renk DE000RENK730 hob er seine Kursziele zwar auch deutlich an. Er blieb aber bei seinem Anlageurteil "Neutral", da er zwar positive Aspekte sieht, aber auch Bedenken hat. Beide Unternehmen seien gut positioniert, um von den wachsenden Verteidigungsausgaben in Deutschland zu profitieren, doch Hensoldt sei als Anbieter von Rüstungselektronik ein Spätzykliker. Beim Panzergetriebe-Hersteller Renk sieht er als Risiko, dass die Steigerung der Produktion zur Herausforderung werden könnte. Die starke Ausrichtung des Hestellers auf gepanzerte Fahrzeuge könnte zudem womöglich in Zukunft hinderlich sein.
Das Kursziel von Hensold sieht Perry nun bei 50 Euro. Bisher hatte es bei 36 Euro gelegen. Renks Kursziel hob er von 25 auf 35 Euro an.
Gemäß der Einstufung "Overweight" geht JPMorgan davon aus, dass sich die Aktie in den kommenden sechs bis zwölf Monaten besser entwickeln wird als der jeweilige Sektor. "Neutral" bedeutet eine erwartete Entwicklung im Gleichklang mit dem Sektor./ck/la/stw
Analysierendes Institut JPMorgan.
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