Gute Zuflüsse, viele neue Produkte, erfolgreiche neue Ideen wie Laufzeiten-ETFs und ein erster „Promi“-ETF, nämlich von Gerd Kommer – nach dem schwierigen Jahr 2022 konnte die ETF-Branche 2023 ihren Erfolgskurs fortsetzen.
19. Dezember 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es war wieder einmal ein gutes Jahr für die ETF-Branche – und auch den ETF-Handel auf Xetra. Nachdem der weltweite ETF-Markt vergangenes Jahr unter der schwachen Aktien- und des Anleiheentwicklung gelitten hatte, wird dieses Jahr wohl ein neuer Höchststand erreicht mit einem weltweiten Investitionsvolumen von 10,32 Billionen US-Dollar in ETFs, wie das britische Beratungshaus ETFGI meldet.
Auch im ETF-Segment der Deutschen Börsen gab es einiges an Rekorden und Fastrekorden. Das verwaltete Vermögen aller auf Xetra gehandelten ETFs kletterte auf 1,2 Billionen Euro, ein Allzeithoch. Auch die Zahl der ETF-Emittenten auf Xetra stieg in neue Höhen, und zwar auf aktuell 32. Neu dabei sind: abrdn, KraneShares und CASE Invest. Außerdem wurden auf Xetra bis Ende November 240 ETFs neu zugelassen – das macht in Bezug auf neue Listings das immerhin zweitbeste Jahr seit 2000, als die ersten Produkte an der Deutschen Börse in Frankfurt starteten. Insgesamt waren damit per Ende November 2.125 ETFs gelistet, nach 2.002 Ende 2022.
Der ETF-Handel war geprägt durch die sehr gute Aktienentwicklung bis zum Sommer, den folgenden Einbruch und den steilen Anstieg ab November. „Wegen der großen Marktbewegungen konzentrierte sich viel auf die großen Indizes wie S&P 500 und MSCI World“, berichtet Frank Mohr von der Société Générale. Stetige Nachfrage nach MSCI World- und S&P 500-Trackern meldeten auch die Händler von Lang & Schwarz im Laufe des Jahres. Außerdem war die Technologiebranche fast konstant großes Thema, wie Jan Duisberg von der ICF Bank bemerkt. Er erinnert aber auch an die Bankenkrise im März mit der Insolvenz von kleineren US-Banken und den Turbolenzen um die große Credit Suisse – mit entsprechend hohen Umsätzen in Banken-ETFs.
Mohr
Dass Aktien-ETFs auf die großen Indizes die Favoriten bleiben, zeigen auch die Statistiken des Münchner Handels- und AnalysehausCrossflow für den europäischen ETF-Markt 2023: Insgesamt sind bis Ende November netto 74 Milliarden Euro in Aktien-ETFs geflossen. Davon entfielen 42 Milliarden Euro auf globale Aktien, 23 Milliarden Euro auf nordamerikanische, Eurozonen-ETFs wurden hingegen unter dem Strich verkauft. Beliebtestes Land: mit Abstand die USA, gefolgt von Indien und der Schweiz. „Flop“-Länder waren China, Deutschland und Japan. Auch Anleihen-ETFs erfreuten sich großer Beliebtheit: Crossflow meldet Zuflüsse von 57 Milliarden Euro bis Ende November. Beliebteste Kategorie hier: US-Staatsanleihen, gefolgt von europäischen Staatsanleihen und europäischen Unternehmensanleihen guter Bonität. Ebenfalls gesucht: Geldmarkt-ETFs, vor allem europäische.
Mehr ESG, mehr Anleihen-ETFs ...
Eine Entwicklung aus den Vorjahren hat sich 2023 fortgesetzt: der Trend hin zu nachhaltigen ETFs. Von den rund 240 neuen ETFs auf Xetra sind 156 als ESG klassifiziert. Diese machen nun über 40 Prozent aller ETFs auf Xetra aus. Beim verwalteten Vermögen liegt ihr Anteil bei rund 25 Prozent, bei den Handelsumsätzen bei über 20 Prozent.
Auch dass 85 neue Renten-ETFs auf den Markt kamen, war ein Rekord. Besonders auffällig im Handel: das Comeback der Geldmarkt- und geldmarktnahen ETFs. „Geldmarkt-ETFs haben lange keinen interessiert, mit den stark gestiegenen Zinsen sah es dann plötzlich anders aus“, stellt Mohr fest. Favoriten waren der Xtrackers II EUR Overnight Rate Swap (LU0290358497), der sich sogar auf der Xetra-Umsatzliste (bis November) unter den Top Ten findet. ETF-Händler meldeten aber auch immer wieder eine gute Nachfrage nach dem Lyxor Euro Overnight Return (FR0010510800) und dem iShares EUR Ultrashort Bond (IE00BCRY6557).
... und dann die iBonds und der Gerd-Kommer-ETF
Dabei gab es im Anleihen-Segment auch ganz Neues: die iBonds-von iShares, die ersten ETFs mit einem festen Fälligkeitsdatum. „Das war schon eine echte Innovation, damit wurde eine Lücke gefüllt“, meint Mohr. iShares kam damit im August auf den Markt, im November präsentierte dann Xtrackers erste eigene Produkte. Insgesamt 19 ETFs mit Laufzeitenden zwischen 2025 und 2033 stehen auf Xetra mittlerweile zur Verfügung.
Neu war auch, dass mit Gerd Kommer – oft als „ETF-Papst“ bezeichnet – erstmals ein Prominenter einen ETF auf den Markt gebracht hat. Der L&G Gerd Kommer Multifactor Equity, den es in thesaurierender und ausschüttender Variante gibt (IE0001UQQ933, IE000FPWSL69), bildet Aktien von Unternehmen aus der ganzen Welt sowie unterschiedlicher Größe ab. Bei der Ländergewichtung werden sowohl Marktkapitalisierung als auch die Wirtschaftsleistung (BIP) berücksichtigt. Außerdem werden Faktorprämien (Factor Investing) übergewichtet. Der ETF hat bereits rund 100 Millionen Euro eingesammelt.
Meist gehandelte ETPs (ETF, ETCs und ETNs) auf Xetra bis November waren Aktien-ETFs von iShares auf die großen Indizes, konkret MSCI World (IE00B4L5Y983), Euro Stoxx 50 (DE0005933956), DAX (DE0005933931) und Stoxx Europe 600 (DE0002635307). Auf Platz fünf findet sich der ETC Xetra-Gold (<DE000A0S9GB0>), gefolgt vom iShares-ETF auf den S&P 500 (IE00B5BMR087) und dem ersten Branchen-ETF, dem iShares Euro Stoxx Banks 30-15 (DE0006289309). Immerhin auf Platz 9: der Geldmarkt-ETF Xtrackers II EUR Overnight Rate Swap (LU0290358497).
Aktive ETFs als "Game Changer"?
Ein weiterer Trend: immer mehr aktive ETFs. Auf Xetra sind mittlerweile 116 Active ETFs im Angebot, 32 davon erst seit diesem Jahr. Die größten Anbieter sind Fidelity und JP Morgan, aber auch PIMCO, Franklin Templeton, Ossiam, VanEck und First Trust haben entsprechende Angebote. Aktive ETFs sind zwar noch ein Nischenmarkt. Der weist aber starke Wachstumsraten auf – auch beim verwalteten Vermögen und den Handelsumsätzen. Das Analysehaus Scope hatte das Segment schon im September unter die Lupe genommen: „ETFs haben durchaus Potenzial zum Game Changer in der Aktiv-Passiv-Debatte“, hieß es. Allerdings fehle noch die längere Performance-Historie. „Nach Vorliegen eines entsprechenden Track Records von mindestens drei, besser fünf Jahren könnten aktive ETF zukünftig insbesondere für institutionelle Kunden und private Selbstentscheider sehr interessant werden.“
Bei den Kosten ging es abermals nach unten, vor allem für die Core-Produkte, die wichtige Standardmärkte abdecken. Ein großer Schritt war die Ankündigung von State Street Global Advisors im November, die Kosten der S&P 500 ETFs in Europa erheblich zu senken, für den klassischen S&P 500-Tracker etwa von 9 auf 3 Basispunkte. Allerdings gibt es auch einige ETFs, die noch erstaunlich teuer sind, wie Ali Masarwah von der Fondsplattform envestor.de feststellt – vor allem die, die schon viele Jahre auf dem Buckel haben.
Von Anna-Maria Borse, 19. Dezember 2023 © Deutsche Börse AG
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
Feedback und Fragen an redaktion@deutsche-boerse.com
Borse