Rechts oder links: Während die Profis passiv bleiben, wechseln viele Privatanleger auf die Short-Seite. Erste warten auf verlustfreien Ausstieg, Zweite haben Gewinn gemacht, analysiert Goldberg.
Die professionellen Investoren wirken ähnlich passiv wie die Aktienpreise selbst. 3 Prozent sind von den Bullen und 2 Prozent von den Bären an die Seite gewechselt. Joachim Goldberg vermutet, dass sich diese Akteure an die vielen Krisenherde mehr oder weniger gewöhnt haben. Und befürchtet, dass viele Institutionelle auf höhere DAX-Stände warten würden, um aus der Schieflage herauszukommen. Private Anleger sind dagegen im großen Stil mit 12 Prozent von long zu short gegangen. Mit kleinen Gewinnen vermutet der Verhaltensökonom. Die beiden Sentiment-Indizes liegen mit +2 und -22 Punkten ziemlich weit auseinander.
Woher diese höheren DAX-Stände, auf die die gewichtigeren Profis warten, kommen können, ist für Goldberg unklar. Von sehr langfristigem Kapitaleinsatz und aus dem Ausland höchstens.
27. Juli 2022. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Gemessen an der makroökonomischen Datenlage und den Entwicklungen in der Erdgas-Problematik hätte es den DAX seit unserer vergangenen Sentiment-Erhebung auch schlimmer erwischen können. Aber die Kursabschläge hielten sich mit einem Minus von 1,4 Prozent im Wochenvergleich in Grenzen. Und mit rund 2,5 Prozent gehört auch die Handelsbandbreite durchaus zu den geringeren innerhalb dieses Jahres. Fast könnte man den Eindruck bekommen, das Börsenbarometer habe sich an die von der Bank of America in der vergangenen Woche publizierten größten Marktrisiken gewöhnt. Die Angst vor hoher Inflation und globaler Rezession sowie die Befürchtung, dass sich die Notenbanken als zu falkenhaft erweisen könnten, scheinen nicht nur bei vielen institutionellen Investoren, sondern auch bei den Kommentatoren ihren Schrecken verloren zu haben. Kurzum: Zumindest die Aktienkurse vermitteln eine gewisse Gewöhnung an negative Nachrichten. Natürlich könnte man auch die heute endende Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank als Argument für die relative Ruhe anführen.
Nun hat sich bei der Stimmung der von uns befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont tatsächlich nicht allzu viel getan, denn gegenüber der Vorwoche ist unser Börse Frankfurt Sentiment-Index gerade einmal um einen Punkt auf einen neuen Stand von +2 gefallen. Allerdings ist dabei auch die Polarisierung zwischen Bullen und Bären etwas zurückgegangen, vermutlich weil mancherorts auf beiden Seiten Positionen in kleinerem Umfang zurückgefahren wurden. Per Saldo ist deswegen die Gruppierung der neutral gestimmten Investoren um 5 Prozentpunkte angewachsen.
Verschiedene Positionen, verschiedene Sichtweisen
Im Gegensatz zu den institutionellen Investoren hat es bei den Privatanlegern dagegen einen fast schon dramatisch anmutenden Stimmungswechsel gegeben. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index in diesem Panel ist um 23 Punkte auf einen neuen Stand von -22 gefallen. Dies ist gleichzeitig das niedrigste Niveau seit ziemlich genau zwei Jahren. Dabei fällt auf, dass eine recht große Gruppe (über 10 Prozent aller Befragten) ihre Meinung um 180 Grad direkt von „bullish“ auf „bearish“ gedreht hat.
Wir gehen dennoch nicht davon aus, dass die Stimmungskluft, die sich nun abermals zwischen institutionellen und privaten Investoren aufgetan hat, ein Spiegel unterschiedlicher ökonomischer Wahrheiten in den beiden Panels darstellt. Vielmehr bleibt zu vermuten, dass der deutliche Stimmungswechsel bei den Privatanlegern vor allen Dingen deswegen zustande kam, weil die zugrunde liegenden Einstandspreise für die dahinter stehenden Positionswechsel günstig gewesen sein dürften. Mit anderen Worten: Die wechselwilligen Akteure haben möglicherweise (kleinere) Gewinne realisieren können, ohne die ein Positionswechsel um 180 Grad kaum vorstellbar gewesen wäre.
Unbeeindruckt von schlechten Nachrichten
Im Gegensatz dazu bleibt zu befürchten, dass ein immer noch recht großer Teil von Optimisten bei den institutionellen Investoren auf beachtlichen Buchverlusten sitzt, so dass ein Ausstieg aus bullishen Positionen zurzeit noch zu schmerzhaft wäre. Vermutlich rührt daher auch die Resistenz gegenüber negativen ökonomischen und politischen Informationen, die auf dem Wege der selektiven Wahrnehmung zumindest psychisch minimiert werden können.
Damit hat sich die Sentiment-technische Situation für den DAX im Vergleich zur Vorwoche kaum verändert, wobei die institutionellen Investoren mehrheitlich immer noch auf deutlich höhere DAX-Stände warten und insgesamt der Eindruck entsteht, als habe sich das Börsenbarometer im Abwärtstrend stabilisiert. Zumindest macht der Begriff der Bodenbildung – auch aufgrund vorgenannter Schieflagen – seit einigen Tagen immer häufiger die Runde. Um allerdings einen Trendwechsel herbeizuführen, bedarf es nach wie vor langfristiger Kapitalzuflüsse, auch aus dem Ausland.
27. Juli 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
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Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 37% | 35% | 28% |
ggü. letzter Erhebung | -3% | -2% | +5% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 13.120 (-180 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Institutionelle Anleger: +2 Punkte (Stand vergangene Erhebung: +3 Punkte)
Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 27% | 49% | 24% |
ggü. letzter Erhebung | -11% | +12% | -1% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 13.120 (-180 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Private Anleger: -22 Punkte (Stand vergangene Erhebung: +1 Punkte)
Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positive in negative Werte markiert die neutrale Linie.
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