Wendepunkt und Perspektivwechsel bei nachhaltigen Investments? Portfoliomanager Schlienkamp ist davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit Mut und Ehrlichkeit erfordert.
20. September 2024. FRANKFURT (GS&P). Während viele von uns bereits mit dem Begriff „Greenwashing“ vertraut sind – der Praxis, Produkte oder Unternehmen umweltfreundlicher darzustellen, als sie tatsächlich sind –, hat sich in der Finanzwelt ein neues „Phänomen“ etabliert: „Green-Hushing“ (von englisch hushing, was so viel bedeutet wie „Verschweigen“ oder „Stillschweigen“). Bei dieser neuen Tendenz geht es um das genaue Gegenteil: Unternehmen, insbesondere Fondsgesellschaften und Banken, entscheiden sich bewusst dafür, ihre grünen Initiativen nicht (mehr) öffentlich zu kommunizieren. Doch was steckt hinter dieser Entwicklung – und warum sollten wir uns alle Sorgen machen?
Ein Blick auf die Verantwortung der Finanzwelt
Kapitalanlagegesellschaften oder Vermögensverwalter stehen in der treuhänderischen Pflicht, im besten Interesse ihrer Anleger zu handeln – das bedeutet nicht nur, finanzielle Erträge zu erzielen, sondern auch verantwortungsbewusst und transparent zu agieren. Wenn Schwergewichte am Kapitalmarkt wie Unilever Anfang 2024 beginnen, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zurückzudrehen, oder wenn Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsinitiativen aufgrund fehlender öffentlicher Relevanz gar ganz verschweigen, stellt dies die grundlegenden Prinzipien von Transparenz und Ethik infrage. Dadurch kann das Vertrauen der Anleger, das auf Offenheit basiert, erheblich beschädigt werden.
Die wahren Kosten der Nachhaltigkeit
Das Beispiel Unilever zeigt auch: Nachhaltigkeit ist nicht umsonst – sie bringt Kosten mit sich, sei es durch Umstellungen in der Produktion, die Kompensation von Emissionen, die Einführung neuer Technologien oder die Anpassung an strengere Regulierungen. Doch diese Kosten dürfen meines Erachtens nicht als Vorwand dienen, sich der Verantwortung zu entziehen. Die langfristigen Vorteile nachhaltiger Investitionen überwiegen oft bei Weitem die anfänglichen, kurzfristigen Kosten. Der Klimawandel und seine Folgen werden nicht verschwinden, nur weil wir sie ignorieren. Im Gegenteil: Unternehmen, die heute in Nachhaltigkeit investieren, sichern sich ihre Zukunft – und damit auch die ihrer Investoren.
Die Konsequenzen
„Green-Hushing“ ist meines Erachtens nicht nur kommunikativ problematisch, sondern birgt auch Risiken. In einer Zeit, in der Investoren Wert auf Nachhaltigkeit legen, kann das Verschweigen von ESG-Bemühungen dazu führen, dass Unternehmen ohne Zugang zu Kapital wichtige Investitionsmöglichkeiten verpassen. Zudem könnte dieses Schweigen als Versuch gedeutet werden, Missstände zu verbergen, oder den Eindruck erwecken, dass das Unternehmen keine Antwort auf die Nachhaltigkeitsfrage gefunden hat. Beides kann sich negativ auf den Marktwert und das Vertrauen auswirken.
Der richtige Weg: Offenheit und Transparenz
Anstatt in Stillschweigen zu verfallen, sollten Unternehmen und wirklich nachhaltigkeitsorientierte Investoren eine zukunftsorientierte und transparente Strategie verfolgen. Es geht nicht darum, perfekte Lösungen zu präsentieren, sondern kontinuierlich Fortschritte zu machen und diese offen zu kommunizieren. Anleger wissen, dass der Weg zur Nachhaltigkeit herausfordernd ist, aber sie erwarten Ehrlichkeit und Engagement.
Unsere Kapitalanlagegesellschaft hat sich dem Ziel verschrieben, nachhaltige Investitionen zu fördern und dies offen zu kommunizieren. Wir sind überzeugt, dass Vertrauen und langfristiger Erfolg nur durch Transparenz und Verantwortung erreicht werden können. Während das Verschweigen von nachhaltigkeitsrelevanten Aspekten eine kurzfristige Erleichterung verschaffen mag, um beispielsweise Kontroversen zu vermeiden, schadet es langfristig sowohl den Unternehmen als auch der Gesellschaft.
Fazit: Nachhaltigkeit erfordert Mut und Ehrlichkeit
In einer Welt, in der Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist es wichtig, dass Unternehmen ihre Verantwortung ernst nehmen. „Green-Hushing“ mag als kurzfristige Lösung verlockend erscheinen, um unbequeme Situationen zu vermeiden, doch langfristig ist Ehrlichkeit entscheidend für das Vertrauen der Anleger und die Zukunft der Unternehmen. Transparenz, Verantwortung und langfristiges Denken sollten zentrale Elemente aller Strategien sein – sowohl zum Nutzen der Anleger, der Unternehmen als auch der Gesellschaft.
Christoph Schlienkamp ist Portfoliomanager bei der GS&P Kapitalanlagegesellschaft S.A.
Von Christoph Schlienkamp, 20. September 2024 © Deutsche Börse AG
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