Fondsmanager Christoph Frank bleibt zuversichtlich und erwartet, dass die langfristige Überrendite der Small Caps zurückkehren wird. Er erwartet, dass die aktuellen Schwierigkeiten eine vorübergehende Durststrecke auf dem Weg zur potenziellen Zukunft sind.
2. Oktober 2023. FRANKFURT (pfp Adisory). Small Caps haben es schwer. Was bereits im Jahr 2022 galt, trifft für das laufende Börsenjahr ebenso so. Auf deutsche Aktien bezogen heißt das: Die Blue Chips aus dem DAX performen am besten, dann folgen die mittelgroßen Werte aus dem MDAX, danach die Small Caps aus dem SDAX und ganz am Ende die meist noch etwas kleineren Titel aus dem Scale-Index. 2022 galt das in Reinform mit teilweise sehr großen Abständen, im bisherigen Verlauf des Jahres 2023 mit der einzigen Einschränkung, dass SDAX und MDAX mehrmals die Plätze in der Mitte tauschten. In jedem Fall hinken die „Kleinen“ aus SDAX und Scale den „Großen“ aus dem DAX seit einigen Quartalen meilenweit hinterher.
In konkreten Zahlen: Konnte sich der DAX im Vorjahr mit einem Minus von rund 12% vergleichsweise passabel aus der Affäre ziehen, standen beim SDAX satte 27% Verlust und beim Scale All Share Index (Gross Return) sogar über 35% Minus an der Kurstafel. Die Rückstände binnen eines Jahres betrugen also rund 15 bzw. 23 Prozentpunkte. Year-to-date ist die Reihenfolge gleich: Der DAX kommt (bis zum Morgen des 2.10.2023) auf etwa 11% Plus, der SDAX immerhin noch auf knapp 9%, der Scale All Share nur auf ca. minus 5%.
Manche Beobachter führen die zuletzt schwache Wertentwicklung heimischer Small Caps (auch) darauf zurück, dass sie von der derzeit schwachen Wirtschaftsentwicklung und den Nachteilen des Standorts Deutschland besonders hart getroffen werden. Kleinere Unternehmen können hohen Energiepreisen, hohen Lohnkosten und übertriebener Regulierung nicht so leicht entkommen, indem sie ihre Produktion zu nennenswerten Teilen ins Ausland verlagern. Oft erfolgt die Wertschöpfung (noch) zum Großteil in Deutschland oder angrenzenden Ländern der EU. Die Großkonzerne aus dem DAX sind dagegen häufig weniger stark vom heimischen Produktionsstandort abhängig.
Allerdings kann dies nicht der alleinige Grund sein, ist die aktuelle Schwäche der Small Caps doch kein ausschließlich deutsches Phänomen. Auch in vielen anderen Regionen ist dieses Muster zu erkennen. So haben beim US-amerikanischen Leitindex S&P 500 die 7 „Mega Caps“ Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta Platforms (Facebook), Microsoft, Nvidia und Tesla fast für den gesamten Indexanstieg im laufenden Kalenderjahr gesorgt, während der „S&P 493“, also der Index der restlichen (kleineren) 493 Mitglieder, kaum vom Fleck kam. Ein weiteres Beispiel: Der Russell 2000, der die 2000 kleinsten nach Marktkapitalisierung gewichteten US-Unternehmen des breiter diversifizierten Russell 3000 enthält, hat gegenüber dem Russell 1000, seinem Gegenstück mit den 1000 größten Indexmitgliedern, kürzlich ein 22-Jahres-Tief erreicht. Die Liste schwächelnder Small-Cap-Indikatoren ließe sich fortsetzen.
Erfahrene Anleger(innen) reiben sich verwundert die Augen. Denn die Small-Cap-Schwäche, die sie seit einigen Quartalen beobachten, ist ungewöhnlich. Normalerweise ist über längere Zeiträume exakt das Gegenteil zu beobachten: Kleine Aktien laufen besser als große. Der so genannte „Small Size Effect“ bzw. die „Small Cap Premium“ gehört zu den wenigen Phänomenen am Aktienmarkt, die auch akademisch gut belegt sind, wobei verschiedene risikobasierte und verhaltensbasierte Erklärungsansätze existieren. Für gut nachvollziehbar halte ich persönlich den Ansatz, dass kleine und mittelgroße Unternehmen im Durchschnitt höhere Kapitalkosten und niedrigere Profitabilitätsraten haben als die Marktführer, was mit höheren Risiken einhergeht, für die Investoren mit einer Prämie bzw. einer höheren zu erwartenden Rendite entschädigt werden wollen.
Vor vielen Jahren war dieses Phänomen sogar ein wichtiger Teil meiner eigenen Diplomarbeit, in der eine Erweiterung des bekannten Fama-French-Dreifaktorenmodells analysiert wurde. Deshalb beunruhigt mich die derzeitige Schwäche der Small Caps auch nicht. Denn ich gehe davon aus, dass wir wie jedes Mal in den vergangenen 40 Jahren wieder zum „Normalzustand“ zurückkehren werden. „Diesmal ist alles anders“ ist auch in diesem Fall die deutlich unwahrscheinlichere Variante. Wann genau die aktuelle „Durststrecke“ der Small Caps enden wird, weiß leider niemand, ich eingeschlossen. Langfristig ist die Überrendite von Small Caps über Blue Chips allerdings für die meisten Märkte statistisch nachweisbar, darunter auch für den deutschen Aktienmarkt. Mit Geduld und Sitzfleisch sollten sich diese Extrarenditen daher auch künftig wieder einfahren lassen.
von Christoph Frank, 2. Oktober 2023, © pfp Advisory
Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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