Fondsmanager Frank freut sich über die Rückkehr deutscher Aktien in den Fokus der Investorinnen und Investoren, analysiert die Gründe und fragt sich, ob die Nachfrage Bestand haben kann.
17. März 2025. FRANKFURT (pfp Adisory): Ist es jetzt nicht an der Zeit, wieder in Europa zu investieren? Das wurde ich in den vergangenen Tagen auffallend häufig gefragt. Dass mir diese Frage überhaupt wieder gestellt wird, finde ich bemerkenswert. Jahrelang winkten Gesprächspartner ab, wenn ich meinen beruflichen Schwerpunkt „Deutsche Aktien“ erwähnte. „Du Armer“, da gebe es doch sowieso nichts zu verdienen, Deutschland und Europa seien auf dem absteigenden Ast, und überhaupt könne man mit einem ETF auf US-amerikanische Aktien überhaupt nichts falsch machen. Wozu also in Europa investieren?
Wie nur ein paar Wochen vermeintliche Gewissheiten doch über den Haufen werfen können! Seit Jahresbeginn scheinen Investoren „USA top, Europa Flop“ gehörig anzuzweifeln. Während die US-Leitindizes S&P 500 und Nasdaq Composite seit Silvester im Minus notieren, haben wichtige europäische Aktienindizes zwischen 10 und 15% zugelegt. Sogar der dauerlahme EURO STOXX 50, der Leitindex der Euro-Zone, erreichte im Februar nach fast 25 Jahren endlich ein neues Allzeithoch. (Der Fairness halber möchte ich allerdings nicht unerwähnt lassen, dass bei diesem Index im Unterschied zum DAX keine Dividenden eingerechnet werden, er also im Direktvergleich jedes Jahr ein paar Prozentpunkte mehr aufholen musste als sein deutsches Pendant.)
Eine derart starke Abkoppelung der europäischen von den amerikanischen Börsen habe ich selten erlebt. Normalerweise folgen EURO STOXX und DAX der Leitbörse USA wie der Hund dem Frauchen. Ausnahmen sind selten, wie beispielsweise das Jahr 2005, in dem DAX und EURO STOXX rund 27% bzw. 21% zulegten, interessanterweise ebenfalls im unmittelbaren zeitlichen Umfeld einer vorgezogenen Bundestagswahl, während die US-Indizes mehr oder weniger auf der Stelle traten. Der altehrwürdige Dow Jones Industrial Average landete seinerzeit sogar im Minus.
Die abrupte Umkehrung von „USA ui, Europa pfui“ erwischte offenbar viele Anleger auf dem falschen Fuß. Wer nach wenigen Wochen mit seinen vermeintlich unbesiegbaren Welt-ETFs wegen deren krasser US-Lastigkeit plötzlich year-to-date 20 Prozentpunkte hinterherhinkt, hat Renditeschmerzen und vielleicht auch schon so manches unangenehme Gespräch mit Kunden oder Vorgesetzten hinter sich. Kein Wunder, dass mich plötzlich vermehrt Anfragen erreichen, ob denn möglicherweise sogar eine dauerhafte Hinwendung zu Europa anstehe. Um diese Frage seriös beantworten zu können, müssen wir zunächst klären, was den plötzlichen Europa-Hype ausgelöst hat.
Zuvorderst sticht hier die Kehrtwende in der deutschen Verschuldungspolitik hervor. So haussierten die deutschen und europäischen Aktienmärkte besonders stark, als die „schwäbische Hausfrau“ in Rente geschickt wurde und dem neuen „Schulden-Friedrich“ weichen musste. Aktionäre feierten die Ankündigung, die Schuldenbremse im Hurra-Stil zu reformieren und ein mehrere hundert Milliarden Euro schweres „Sondervermögen“ (neudeutsch für „Zusatzschulden“) aufzulegen. Getreu der alten Maxime von Friedrich, pardon, Konrad Adenauer: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“, also von vor dem Wahltag?
Neben den weiteren Gründen, dass eine Neujustierung der Kapitalströme auch aufgrund der Bewertungsdifferenzen zwischen Europa und den USA überfällig erschien und zwischenzeitlich ein Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland als wahrscheinlicher galt, stufe ich viertens auch das überraschend aktienmarktfeindliche Gebaren der neuen US-Regierung als relevant ein. Eigentlich galt Donald Trump als Mann der Wall Street, wurde nach seinem Wahlsieg mit teils euphorischen Kursgewinnen gefeiert und läutete noch im Dezember persönlich die Eröffnungsglocke der New Yorker Börse. Wenige Monate später ist nicht mehr viel Begeisterung übrig. Stattdessen zeigen sich Investoren zunehmend irritiert über Trumps außenpolitische Volten, chaotische Kommunikation und kompromissarme Zollpolitik. Indem er bisherige Verbündete in Serie verprellt, die traditionelle US-Außenpolitik in die Tonne tritt, neoimperialistische Drohungen gen Kanada, Grönland und Panama ausstößt, sich konfrontativ gegen Europa stellt, autoritäre Staatsführer umschmeichelt und sich über Gerichtsurteile hinwegsetzt, schadet er langfristig nicht nur seinem eigenen Land, sondern untergräbt auch die Ausnahmestellung der USA und verunsichert zunehmend Investoren in aller Welt. Dabei wäre eine „Trumpzession“ noch sein geringstes Problem. Für bedeutender halte ich die langfristigen Konsequenzen: Noch sind die USA der mit Abstand wichtigste Kapitalmarkt. Aber sind die satten 73% Anteil der USA im Weltaktienindex per 28.2. wirklich zu rechtfertigen, wenn das Vertrauen in Rechtstreue, Stabilität und Kalkulierbarkeit in Rekordzeit erodiert und Verunsicherung um sich greift? Vielleicht tun es dann auch 60% oder 50%. Zumindest könnte so das neue Kalkül vieler Investoren lauten. Die Folgen einer derartigen Neujustierung für die weltweiten Kapitalströme wären gewaltig.
Ist eine Entkoppelung der europäischen Börsen von ihren US-Pendants damit garantiert? Selbstverständlich nicht. Donald Trump muss nicht zwangsläufig ein zweiter Herbert Hoover werden. Genauso schnell, wie er sich plötzlich gegen die Wall Street stellte, kann er sich erneut um 180 Grad drehen und wieder zum Darling der Börse mutieren. Und nicht zuletzt: Die Strukturprobleme Europas werden ja nicht dadurch gelöst, dass die Investoren die US-Märkte nicht mehr ganz so stark bevorzugen. Im Moment, als ich diese Zeilen schreibe, ist noch nicht sicher, dass die neue deutsche Regierung wirklich den geplanten Riesen-Scheck erhält. Was ich aber schon jetzt beobachte: Der Reformeifer der Protagonisten ist bereits erlahmt, bevor sich die Regierung überhaupt konstituiert hat. Kein Wunder: Wer plötzlich hunderte Milliarden Euro in die Hand bekommt, kann allerlei Geschenke an die eigenen Wähler(innen) verteilen. Das ist viel angenehmer, als sich mit unpopulären und lästigen Aufgaben wie Kosteneinsparungen, Entbürokratisierung oder Reformen herumzuschlagen. Ich hoffe, ich täusche mich, aber für mich sieht vieles momentan mehr nach „Merkel 2.0“ als nach „Agenda 2030“ aus.
Allzu viel Rückenwind dürfte deshalb von der Reformseite her nicht wehen. Enttäuschte Reaktionen der Kapitalmärkte sind daher keinesfalls auszuschließen. Vielleicht reicht die „Flucht vor Trump“ aus, um die Entkoppelung der europäischen von den US-Börsen noch eine Weile fortzusetzen. Besser, als auf diese vage Hoffnung zu setzen, wäre es aber, Europa und insbesondere Deutschland würden sich besinnen und neben der zweifellos notwendigen Zeitenwende bei den Verteidigungsausgaben auch echte Wirtschaftsreformen angehen. Ein solches Fitnessprogramm würde nicht nur den Aktienmärkten helfen, sondern wäre auch wachstumsfördernd für die gesamte deutsche Volkswirtschaft.
Von Christoph Frank, 17. März 2025, © pfp Advisory
Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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