Schwache Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten, eine bislang nur durchwachsene Bilanzsaison und die Auflösung von Carry-Trades setzen die Aktienmärkte unter Druck. Die Charttechnik warnt vor weiteren Verlusten in den kommenden Wochen.
5. August 2024. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Zum Beginn der historisch betrachtet schwierigen Jahreszeit haben die Aktienmärkte ihr Korrekturtempo noch mal verschärft. In den USA mussten der S&P 500 und der Nasdaq 100 die dritte Woche in Folge mit fallenden Kursen hinnehmen. Der DAX, der sich in der Woche davor etwas erholen konnte, verlor diesmal überproportional stark an Wert. Der Schlusskurs von 17.661 Punkten bedeutete ein Wochenminus von 4,1 Prozent. Nach ebenfalls sehr schwachen Vorgaben aus Asien steht der deutsche Aktienindex zum Start der neue Woche erneut unter Druck. Vorbörslich wird der DAX auf unter 17.300 Punkte taxiert.
Unternehmensgewinne in Gefahr
Und das in einem Umfeld deutlich gesunkener Anleiherenditen und zunehmender Hoffnungen auf Leitzinssenkungen. Momentan spielt das an den Börsen aber nur eine untergeordnete Rolle. Im Fokus stehen andere Themen. Die Kombination aus einer sich weltweit abschwächenden Konjunkturdynamik, wohl weit überzogenen KI-induzierten Gewinnerwartungen und Problemen im Umgang mit China könnten nach Meinung der LBBW auf Sicht Gewinnabwärtsrevisionen bei den Unternehmen nach sich ziehen.
Insbesondere bei den Tech-Giganten wittern die Analysten größere Probleme: „Das Erlahmen der Zugpferde spricht für eine bevorstehende Konsolidierung an den Weltbörsen“. Dabei verweisen die Strategen auch auf die aktuelle Bewertung der US-Aktienmärkte. Nur an 17 Prozent aller Tage in den vergangenen zehn Jahren sei der S&P 500 noch teurer als aktuell gewesen. „Um in neutrale Bewertungsgefilde zurückzukommen bräuchte es daher eine Konsolidierung oder aber alternativ einen deutlich steigenden Indexgewinn“. Letzteres ist nach Ansicht der LBBW aber nur schwer möglich, weil die Analysten die Gewinnerwartungen der US-Tech-Giganten künftig wieder realistischer und somit weniger euphorisch einschätzen dürften.
„Turbulenzen vorprogrammiert“
Als Verkäufer sollen aktuell vor allem internationale Hedgefunds auftreten. Diese Ansicht vertritt zum Beispiel Volker Schulz von den Bernecker Börsenbriefen. Der erfahrene Finanzjournalist spricht von „massiven Auflösungen von gehebelten Carry-Trades“ nach der Leitzinsanhebung in Japan und dem daraufhin deutlich gefallenen Dollar/Yen-Kurs. Demnach haben sich die Hedgefunds lange Zeit zu günstigen Konditionen in Yen verschuldet und das aufgenommene Geld dann im Dollarraum investiert, wo sie von den deutlich höheren Zinsen und steigenden Aktienkursen profitieren konnten. Schulz geht davon aus, dass „bedeutendes Kapital auf diesem Weg auch in Big Tech geflossen ist“. Die Aufwertung des japanischen Yen hat den Akteuren nun einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sollte das auf rund 20 Billionen Dollar taxierte Carry-Trade-Volumen deshalb nun teilweise aufgelöst werden, seien Turbulenzen vorprogrammiert.
Eine anhaltende Korrektur bei den Technologiewerten hält auch die Helaba für wahrscheinlich. Daher seien aktuell erst einmal starke Nerven gefragt. Allerdings würde ein solches Szenario grundsätzlich eine Überhitzung der Märkte vermeiden und somit insgesamt zu einer Verstetigung des Aufwärtstrends beitragen. Unter dem Strich bleiben die Analysten daher zuversichtlich. Der für das strategische Timing entwickelte Helaba-BEST-Indikator für den DAX bewegt sich aktuell im Bereich „halten“. Da der DAX um seinen fairen Wert schwanke, habe der deutsche Aktienindex auf Sicht der kommenden Monate „Potenzial für eine höhere Bewertung“. Dazu sei allerdings eine Aufhellung der Konjunkturstimmung nötig.
Technisches Bild zeigt „zahlreiche neue Verkaufsignale“
Der technische Analyst Marcel Mußler bezeichnet das Ende der abgelaufenen Woche als ein „Desaster für die Aktienmärkte“. Manche Märkte habe es „förmlich zerrissen“, was zu „zahlreichen neuen Verkaufsignalen“ geführt habe. Zwar seien in der neuen Woche erste Stabilisierungsansätze und Erholungsversuche möglich, das dürfe man aber nicht als „Neustart“ interpretieren. Beim DAX weist Mußler auf die „Major-Unterstützung“ bei 17.626 Punkten hin, die am Freitag bereits erreicht wurde. Bei einem unteren Ausbruch diene als nächste Zielalternative der 2022er Aufwärtstrend bei aktuell 17.070 Punkten. Die Charttechniker von HSBC sehen als weitere potenzielle Anlaufpunkte bei einer sich ausdehnenden Korrektur die alten Hochpunkte bei 17.003 und vor allem bei 16.529 und 16.290 Punkten.
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftstermine der Woche
Montag, 5. August
10.30 Uhr. Eurozone: Sentix-Konjunkturindex. Nach Einschätzung der Deka dürfte der erste Stimmungstest im August negativ ausfallen. Als Begründung verweisen die Volkswirte auf die unveränderten politischen Herausforderungen sowie enttäuschende Konjunkturindikatoren. Der Gesamtindex wird daher bei minus 8,0 Punkten erwartet. Die Konsensschätzungen liegen bei minus 5,9 Punkten.
14.30 Uhr. USA: ISM-Index Dienstleistungen. Für die Analysten der Commerzbank sind die Zahlen zum ISM-Index eine der wichtigsten Nachrichten der Woche. Und auch ein potenzieller Hoffnungsträger, denn es wird eine deutliche Verbesserung über die Wachstumsschwelle bei 50 Punkten erwartet. Weil in der sehr servicelastigen US-Wirtschaft die Dienstleistungen eine sehr wichtige Rolle spielen, könnten damit die aufkommenden Rezessionsängste wieder eingefangen werden. Im Konsens wird ein Wert von 51,3 prognostiziert
Dienstag, 6. August
08.00 Uhr. Deutschland: Auftragseingang Industrie. Nachdem schwache Mai-Zahlen den Hoffnungen auf eine Konjunkturbelebung eine deutlichen Dämpfer verpasst hatten, könnten die Juni-Daten laut der Commerzbank mit einem Anstieg von 1,5 Prozent ein positives Bild zeichnen. Was allerdings Sondereffekten geschuldet wäre. Die „harten“ Daten sollten demnach eine unveränderte Schwäche der deutschen Industrie offenbaren.
Mittwoch, 7. August
08.00 Uhr. Deutschland: Industrieproduktion. Volkswirte gehen hier im Durchschnitt von einem leichten Plus von 1,0 Prozent im Vergleich zum Vormonat aus. Gegenüber dem vergangenen Jahr würde das allerdings immer noch ein kräftiges Minus von 3,8 Prozent bedeuten.
Donnerstag, 8. August
14.30 Uhr. USA: Erstanträge auf Arbeitslosenversicherung. Bei den wöchentlich erscheinenden Daten schätzt die Deka diesmal einen Wert von 249.000 Anträgen. In der vergangenen Woche war die Zahl der Anträge auf saisonbereinigter Basis ebenfalls auf 249.000 und damit stärker als erwartet gestiegen.
Freitag, 9. August
keine relevanten Datenveröffentlichungen
Von Thomas Koch, 5. August 2024, © Deutsche Börse AG
Thomas Koch ist CEFA-Investmentanalyst, Investmentspezialist für strukturierte Produkte und geprüfter Zertifikateberater. Seit Anfang 2006 beschäftigt er sich als freier Journalist mit dem Geschehen an den Kapitalmärkten.
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