Interview mit Serkan Batir, Managing Director DAX, zum 35. Geburtstages des Index

"Alle Neuerungen zielten darauf ab, den DAX als Barometer für die deutsche Wirtschaft zu stärken"

Der DAX feiert im Juli 2023 seinen 35. Geburtstag. Seit 1988 hat sich viel getan und der DAX hat diese Veränderungen widergespiegelt. Gibt es auch etwas, das gleichgeblieben ist?

Wir haben vor einigen Monaten ein neues Büro bezogen. Dabei ist mir ein alter Ordner in die Hand gefallen, in dem sich ein Artikel aus der Börsen-Zeitung fand: „DAX – Erfolgsbilanz von 15 Monaten“. Also war der DAX bereits Ende 1989 im Fokus der Berichterstattung. Diese war damals ja noch analog und übersichtlich: Print, Hörfunk, TV. Dieses Interesse am DAX als Barometer der deutschen Wirtschaft ist geblieben und hat über die Jahre sogar zugenommen, da es immer mehr Medien und Kanäle gibt. DAX hat den Sprung ins digitale Zeitalter geschafft und hat international an Bedeutung gewonnen. Hierzulande sorgt der DAX regelmäßig für starke Emotionen.

Warum regt der DAX die Emotionen so stark an?

An den Märkten geht es rauf und runter, da kann es schon mal turbulent zugehen, der DAX ist dabei so etwas wie ein Stimmungsbarometer. Vor ein paar Wochen überschlugen sich die Medien geradezu mit Berichten, als der DAX mit 16.357 Punkten schloss, sein bisher höchster Schlussstand, am 16. Juni 2023. Mit anderen Worten: den 40 größten deutschen gelisteten Unternehmen geht es offenbar prächtig. Das versteht die Öffentlichkeit als überaus positives Signal. Für Unternehmen ist der Aufstieg in den DAX ein Meilenstein, denn die erste Börsenliga zieht auch das Interesse internationaler Investoren auf sich. Wie bedeutend eine Aufnahme in den DAX ist, haben wir im Februar 2023 bei der Commerzbank gesehen. Sie hat ihre Wiederaufnahme in den DAX mit den Worten „We are back“ bejubelt und gebührend auf dem Parkett gefeiert. Sie gehörte 1988 zu den Gründungsmitgliedern und war 2018 in den MDAX gewechselt

Batir

Der DAX vereint als Bluechip-Index die 40 größten börsennotierten Unternehmen. Es gab aber auch Debatten über die genaue Zusammensetzung. Warum?

DAX, MDAX SDAX und TecDAX gehören zu einer Familie, innerhalb derer Unternehmen auf- und absteigen können. Diese Indizes hängen also eng zusammen. Die Funktion des Blue-Chip Index DAX ist es, die größten Unternehmen einzubeziehen. Der MDAX soll die Midcaps abbilden. Wir haben 2021 den DAX auf 40 Mitglieder erweitert, und den MDAX wieder auf 50 Mitglieder gebracht, so wie vor 2018 – natürlich in Übereinstimmung mit dem Markt.

Außerdem haben wir auf Marktereignisse im Jahr 2020 reagiert und eine Reihe von zusätzlichen Qualitätsfiltern eingeführt. Unternehmen müssen vor der Aufnahme in den DAX beispielsweise zeigen, dass sie profitabel sind. Alle diese Neuerungen im Regelwerk zielten darauf ab, den DAX als Barometer für die deutsche Wirtschaft zu stärken.
 

Warum spielt Nachhaltigkeit in den Auswahlkriterien keine Rolle?

Unsere Welt befindet sich in einer Transformation zu mehr Nachhaltigkeit, das ist auch auf den Finanzmärkten spürbar. Es hat auch Forderungen gegeben, Nachhaltigkeitskriterien in die Zusammensetzung des DAX aufzunehmen. Nach reiflicher Überlegung und Rücksprache mit dem Markt haben wir uns dagegen entschieden. Der DAX soll ein klassischer Blue-Chip-Index sein und damit ein Abbild der ökonomischen Realität in Deutschland. In dem Maße, wie sich diese Realität in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft verschiebt, wird sich auch der DAX verändern. Bereits heute gibt es mehrere ESG-Versionen des DAX, die Anlegern Möglichkeiten für nachhaltige Investitionen bieten, wie zum Beispiel den DAX 50 ESG-Index.
 

Ist ein Performance Index das bessere Abbild der Wirtschaft?

Der DAX-Index, den die meisten Menschen kennen, ist ein Performance-Index, d.h. er berücksichtigt Dividendenzahlungen. Dies spiegelt die Entwicklung der Wirtschaft genauer wider als ein reiner Preisindex, insbesondere in Zeiten hoher Inflation, da die Unternehmen Dividenden verwenden, um die Rendite der Aktionäre zu sichern. Die wichtigsten Eigenschaften des DAX bleiben aber: Er ist vollständig regelbasiert und transparent. Aus diesem Grund ist der DAX ein so beliebter Basiswert für jede Menge unterschiedlicher Finanzprodukte wie ETFs, strukturierte Produkte, Derivate und Fonds. Der DAX ist sogar in Korea nachgefragt, dort kann man mit DAX-ETFs handeln. Dies ist eine echte Erfolgsgeschichte.

Juni 2023, © Deutsche Börse AG