Dossier ETFs und ETPs
Von 0 auf 100 – ein spannender Abriss der kurzen ETF-Geschichte
Die Idee, mit passiven Investments breit gestreut und kostengünstig zu investieren, schlug bereits Anfang des vorherigen Jahrhunderts erste Wurzeln. Bis zur heutigen Akzeptanz der Anlageklasse war es ein längerer Weg.
Als Urheber der ETF-Idee gelten Louis Bachelier und Harry Markowitz. Der Mathematiker Bachelier hatte bereits um 1900 über den Aktienmarkt geforscht und gilt heute als Begründer der Finanzmathematik. Zu Lebenszeiten wurde er allerdings von der Öffentlichkeit nicht beachtet – auch weil es damals als unseriös galt, sich als Mathematiker mit Aktienanalysen zu beschäftigen.
Markowitz moderne Portfoliotheorie gab den Anstoß
Erst in den 1950er Jahren wurde Harry Markowitz als junger Student auf die Erkenntnisse Bacheliers aufmerksam. Er entwickelte dessen Ansatz weiter und begründete 1952 die moderne Portfoliotheorie. Markowitz erhielt 1990 für seine Arbeiten, die bis heute die langfristige Geldanlage bestimmen, den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.
Die Kernidee dahinter ist folgende: Streut man seine Geldanlagen auf unterschiedliche Töpfe, sinkt das Risiko – bei gleichbleibenden Renditechancen. Entscheidend ist, dass die einzelnen Vermögenswerte möglichst wenig miteinander korrelieren, d.h. sich möglichst unabhängig voneinander entwickeln. Dieses Prinzip der Diversifikation wurde zum Leitfaden für Generationen von Anlageberatern. Allerdings hat die Theorie Kratzer bekommen: Die Finanzkrisen ab 2000 zeigten, dass auch breit gestreute Portfolios nicht vor Verlusten gefeit sind: Aktien, Anleihen, Immobilien und Rohstoffe gerieten gleichzeitig unter Druck.
Hatte sich doch die Finanzwelt seit Markowitz stark verändert, zu dessen Zeiten es keinen elektronischen Handel gab. Heute sind die Märkte global vernetzt und fragmentiert. Es gibt weiterhin Aktien, aber dazu ein Vielfaches an Derivaten. Börsengeschäfte können inzwischen innerhalb von Sekunden von zu Hause aus getätigt werden. Auch die Kursschwankungen sind um ein Vielfaches höher als in den 50er Jahren.
Festgehalten werden kann dennoch: Streuung ist wichtig, ein breit aufgestelltes Portfolio bietet in der Regel mehr Sicherheit als Einzelinvestments. Eine Garantie gegen Verluste ist Diversifikation aber nicht.
Kosten als wichtiger Erfolgsfaktor
Neben wachsendem Bewusstsein für Risikostreuung gab auch die aufkeimende Erkenntnis, dass professionelles Fondsmanagement nicht immer hält, was es verspricht, den Indexfonds Auftrieb. 1967 warfen Redakteure in einem Experiment des angesehenen US-Finanzmagazins Forbes Dart-Pfeile auf das Kursblatt des Wall Street Journal und stellten so ein Portfolio zusammen. 17 Jahre später lag die durchschnittliche Rendite des Dart-Fonds bei über 9 Prozent jährlich, damit deutlich über der des S&P500 – was vielen der professionell gemanagten Investmentfonds nicht gelungen war.
In diesem Umfeld entwickelten William Sharpe und Bill Fouse 1971 den weltweit ersten Indexfonds mit dem Namen „Samsonite Pension Fund“, benannt nach dem Koffer-Erben, der bei Markowitz studiert hatte. Dieser erste Indexfonds enthielt 1.500 an der NYSE notierte Aktien, sein Preis wurde einmal am Tag festgestellt. Sharpe ist der Erfinder der Kennzahl ‚Sharpe-Ratio’ und wurde zusammen mit Markowitz und Merton Miller 1990 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Die ersten ETFs kamen bereits in den 1970er Jahren in den USA auf den Markt. Die Investmentgesellschaft State Street Global Advisors konstruierte 1970 den ersten Indexfonds.
„Suchen Sie nicht die Nadel, kaufen Sie den Heuhaufen!“
Überzeugt von der Idee gründeten John Bogle und Burton Malkiel unter dem Namen Vanguard eine eigene Investmentgesellschaft mit ausschließlich Indexfonds im Angebot. Ziel war es, der breiten Bevölkerung möglichst kostengünstige Indexfonds anzubieten. Vanguards erster Indexfonds, der Vanguard 500, wurde ein großer Erfolg und überzeugte zunehmend auch Pensionsfonds von passiven gemanagten Investments. Vanguard ist heute mit gut 5 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen der zweitgrößte Anbieter weltweit nach Blackrock und weiterhin genossenschaftlich organisiert. Einer der bekanntesten Sätze John „Jack“ Bogles ist „Suchen Sie nicht die Nadel, kaufen Sie den Heuhaufen!“. Warren Buffett sagte über Bogle, der 2019 starb, er habe mehr für Privatanleger getan als alle anderen.
In den deutschen Markt trat Vanguard erst 2017 ein. Stand April 2020 werden 36 ETFs von Vanguard auf Xetra und dem Frankfurter Parkett gehandelt.
In den 80er Jahren wuchs das Angebot an Indexfonds in den USA stetig, die damals noch nicht ETFs genannt wurden, sondern Cash Index Participations (CIPs) und Index Participation Shares (IPS). Notiert waren sie an der American Exchange (AMEX) und an der Börse in Philadelphia. Auch in Deutschland wurde damals von einer Commerzbank-Tochter der erste Indexfonds angeboten, der CB German Index Fund, allerdings nur institutionellen Investoren.
Die ersten ETFs wurden 1990 an einer Börse gelistet, nämlich in Kanada. Der erste ETF in New York war der Standard & Poor’s Depositary Receipt, aufgrund seines Börsenkürzels SPDR auch Spider genannt. Der Spider-ETF, der den S&P 500 abbildet, ist heute der größte ETF überhaupt. Im Februar 2020 lag das verwaltete Vermögen bei knapp 280 Milliarden US-Dollar. Wegen zu geringer Umsätze wurden die Vorläufer-Produkte, CIP und IPS, umbenannt und nach New York transferiert.
In Europa wurden ETFs erstmals im Jahr 2000 angeboten. Die Deutsche Börse war Vorreiter mit zwei ETFs auf die beiden europäischen Bluechip-Indizes EURO STOXX 50 und STOXX Europe 50.
Auch bei Privatanlegern erfolgreich
Heute, 20 Jahre später, gibt es weltweit knapp 7.000 ETFs. Auf Xetra und im Frankfurter Parketthandel werden gut 1.500 Indextracker angeboten, das Handelsvolumen lag im Februar 2020 bei knapp 20 Milliarden Euro.
Und waren ETFs in den ersten Jahrzehnten vor allem ein Instrument für professionelle Investoren, so haben in den letzten Jahren auch immer mehr Privatanleger die Produkte für sich entdeckt – insbesondere im Niedrigzins-Umfeld. Deren Anteil liegt gemessen am ETF-Handelsvolumen bei etwa 8 Prozent, gemessen an der Anzahl der Transaktionen bei rund 35 Prozent. Angesichts der Vorteile, ist das kein Wunder: niedrige Kosten, leicht verständlich, einfach umzusetzen. Der Politiker Friedrich Merz bezeichnete sie vor kurzem als Instrument zur durchgreifenden Demokratisierung der Geldanlage, weil privaten Anlegern Tools zur Verfügung stünden, die bisher den Profis vorbehalten waren.
Way to go!
von Edda Vogt,
März 2020, © Deutsche Börse